Leitsatz
Auch wenn der die Verpflichtung zur Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils begründende Vertrag und die Abtretung selbst in derselben notariellen Urkunde enthalten sind, führt die Unwirksamkeit des einen Teils nicht zwingend zur Unwirksamkeit des anderen.
Sachverhalt
Ein Vertrag, der die Verpflichtung zur Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils vorsieht, muss notariell beurkundet werden (§ 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG). Und auch die zur Erfüllung dieser Verpflichtung vorgenommene Abtretung selbst bedarf zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 15 Abs. 3 GmbHG). Allein schon aus Kostengründen werden beide Rechtsgeschäfte regelmäßig zusammen beurkundet, wobei die Abtretung der Geschäftsanteile häufig unter einer aufschiebenden Bedingung (z.B. der Kaufpreiszahlung) steht.
Weiterhin ist zu beachten, dass bei der notariellen Beurkundung sämtliche im Zusammenhang mit dem Anteilskauf stehenden Vereinbarungen der Vertragspartner einschließlich aller Nebenabreden beurkundet und damit verlesen werden müssen. Genau hier lag das Problem des Falles: Der notariellen Urkunde war als Anlage ein Sanierungskonzept beigefügt, das Nebenabreden enthielt. Darüber, ob das Sanierungskonzept bei der Beurkundung verlesen worden war, bestand zwischen den Parteien Streit.
Entscheidung
Nach Ansicht des OLG Frankfurt kam es aber gar nicht darauf an, ob die Nebenabreden mit verlesen worden waren, denn die gesamte Veräußerung des GmbH-Geschäftsanteils sei auch - ausnahmsweise - ohne dies wirksam:
In der Urkunde seien zwei voneinander zu trennende Verträge enthalten gewesen. Zum einen der Vertrag, der die Verpflichtung zur Abtretung der GmbH-Geschäftsanteile vorsah, und zum anderen die Einigung über die Abtretung selbst.
Die zu verlesenden Nebenabreden hätten sich nun aber einzig und allein auf den die Verpflichtung zur Abtretung begründenden Vertrag bezogen. Nur dieser Teil sei daher ggf. unwirksam. Mit der in derselben Urkunde enthaltenen Abtretung selbst hätten die Nebenabreden hingegen nichts zu tun gehabt.
Die Abtretung bleibe trotz der Nichtigkeit des die Verpflichtung zur Abtretung begründenden Vertrages wirksam und heile ihrerseits gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG das ggf. unwirksame Verpflichtungsgeschäft auch und obwohl beide Rechtsgeschäfte in einer einheitlichen Urkunde notariell beurkundet wurden. § 139 BGB, der vorsieht, dass grundsätzlich das gesamte Rechtsgeschäft unwirksam ist, wenn ein Teil dieses Rechtsgeschäfts nichtig ist, komme daher nicht zur Anwendung.
Hinweis
Das Urteil des OLG Frankfurt setzt sich mit einer Besonderheit des deutschen Rechts auseinander, dem sog. Abstraktionsprinzip. Zu unterscheiden ist der Vertrag der die Verpflichtung enthält (sog. Verpflichtungsgeschäft) von dem Vertrag, der die Erfüllung dieser Verpflichtung enthält (sog. Verfügungsgeschäft). Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind strikt zu trennen. Anders ist dies etwa im französischen Recht, das eine solche Trennung nicht kennt.
Nach deutschem Recht führt die Unwirksamkeit des einen Rechtsgeschäfts nicht zwingend zur Unwirksamkeit des anderen Teils. Das unterscheidet es beispielsweise vom österreichischen Zivilgesetz, nach dem die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts einen wirksamen Rechtsgrund in Form eines Verpflichtungsgeschäfts voraussetzt. Die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts kann jedoch dazu führen, dass das Verfügungsgeschäft rückgängig zu machen und ein bestimmter Gegenstand oder ein Recht zurückzuübertragen sind (sog. ungerechtfertigte Bereicherung.
Und erst die Abtretung des Geschäftsanteils führt zur Heilung des formnichtigen Verpflichtungsgeschäfts. Wird etwa ein Kaufvertrag über GmbH-Geschäftsanteile notariell beurkundet, ohne dass alle erforderlichen Nebenabreden verlesen werden, so ist der Kaufvertrag nichtig. Weder Käufer noch Verkäufer haben einen Anspruch auf Erfüllung des Kaufvertrages. Erst die Abtretung des Geschäftsanteils, also die Erfüllung selbst, führt zur Heilung des Kaufvertrags und damit dessen voller Wirksamkeit.
Link zur Entscheidung
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.02.2012, 11 U 97/11