Leitsatz
Die im Jahre 1985 geborene Antragstellerin befand sich seit August 2005 in einer Ausbildung zur Erzieherin und verlangte Unterhalt von ihren Eltern. Sie war im März 2000 aus der Wohnung ihrer Eltern ausgezogen und lebte seither mit ihrem Freund in einer Wohnung. Seit dem Auszug der Antragstellerin hatten die Eltern Kindesunterhalt nicht mehr geleistet. Sie beriefen sich darauf, die Antragstellerin könne zuhause kostenfrei leben.
Die Antragstellerin erhob Stufenklage auf Auskunftserteilung und Zahlung von Unterhalt und begehrte hierfür Prozesskostenhilfe. Ihr Prozesskostenhilfeantrag wurde zurückgewiesen mit der Begründung, der Anspruch auf Barunterhalt sei durch eine wirksame Unterhaltsbestimmung erloschen. Für eine Abänderung dieser Unterhaltsbestimmung sei der Rechtspfleger zuständig.
Das erstinstanzliche Gericht hat der Beschwerde gegen seinen Beschluss nicht abgeholfen und die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG bestätigte die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, die der Antragstellerin schon deshalb zu versagen sei, weil sie nicht dargetan habe, dass sie über kein einzusetzendes Vermögen verfüge. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, der auch gegenüber volljährigen Kindern bestehe, stelle einen einzusetzenden Vermögenswert i.S.d. § 115 Abs. 2 ZPO dar. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, ob sie einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegenüber ihren Eltern habe. Dieser Umstand stehe ihrer Bedürftigkeit entgegen.
In seiner Begründung wich das OLG insoweit von der Begründung des erstinstanzlichen Gerichts ab, als es nicht von einer wirksamen Unterhaltsbestimmung ausging. Eine solche müsse grundsätzlich den gesamten Lebensbedarf eines Kindes umfassen, insbesondere Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld oder Geldleistungen für zweckgebundene Ausgaben. Ein allgemeines Angebot von Kost und Logis reiche nicht aus. Außerdem ergebe sich aus tiefgreifenden Differenzen zwischen den Parteien, dass der Entscheidung des Kindes über seine Lebensführung der Vorrang vor der Rücksichtnahme gegenüber den Eltern einzuräumen sei.
Schon unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie erscheine es im Übrigen nicht vertretbar, das Kind zunächst darauf zu verweisen, beim Rechtspfleger ein gesondertes Abänderungsverfahren anzubringen, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Richter nach § 6 RpflG die Möglichkeit habe, dies als Vorfrage im Rahmen des hier geführten Unterhaltsprozesses mit zu entscheiden. Hier bestehe im Übrigen die Besonderheit, dass eine Unterhaltsbestimmung erst während des laufenden Verfahrens getroffen worden sei (OLG Frankfurt v. 10.8.2000 - 6 UF 133/00, FamRZ 2001, 116; OLG Karlsruhe v. 11.5.1999 - 5 WF 17/99, OLGReport Karlsruhe 2000, 86 = FamRZ 2001, 240; OLG Düsseldorf v. 18.12.2000 - 8 UF 180/00, FamRZ 2001, 1306; OLG Schleswig v. 5.6.2002 - 13 WF 11/02, FamRZ 2003, 48; OLG Dresden v. 25.4.2003 - 10 UF 284/03, OLGReport Dresden 2003, 351 = FamRZ 2004, 209; KK-FamR-Klein, 2. Aufl., § 1612 Rz. 45).
Hinweis
Mit seinen Ausführungen zum Prozesskostenvorschuss folgt das OLG Celle der aktuellen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 4.8.2004 - XII ZA - 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = FamRB 2004, 393).
Zur Frage der Unterhaltsbestimmung der Eltern weist das OLG darauf hin, dass insbesondere bei einer tiefgreifenden Entfremdung zwischen Kind und Eltern eine solche abgeändert werden kann, weil dem unterhaltsberechtigten Kind die Entgegennahme von Naturalunterhalt im Haushalt der unterhaltspflichtigen Eltern nicht mehr zuzumuten ist. Dabei ist ohne Bedeutung, wer die Zerrüttung verschuldet hat (OLG Dresden v. 25.4.2003 - 10 UF 284/03, OLGReport Dresden 2003, 351 = FamRZ 2004, 29).
Das Kammergericht nimmt eine Einschränkung für den Fall vor, dass die Entfremdung allein auf ein rücksichtsloses oder provozierendes Verhalten des Kindes zurückzuführen ist (KG v. 13.8.2002 - 13 UF 42/02, KGReport Berlin 2003, 281 = FamRZ 2003, 619).
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Beschluss vom 05.05.2006, 17 WF 60/06