Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 WEG
Kommentar
1. Die Gebrauchsüberlassung von Wohnungseigentum an jeweils eine Familie von Aus- oder Übersiedlern für eine Übergangszeit hält sich im Rahmen der Zweckbestimmung"Nutzung zu Wohnzwecken" und kann ohne Vorliegen konkreter Beeinträchtigungen nicht untersagt werden.
Im vorliegenden Fall beantragte ein Eigentümer in einer aus 33 Wohneinheiten bestehenden Anlage in der Berliner Innenstadt für seine Wohnung mit einer Wohnfläche von 52 qm (größeres 1-Zimmer-Appartement) über Vertrag mit dem Senat von Berlin, in seiner Wohnung bis zu 5 Aus- und Übersiedler einer Familie entgeltlich unterbringen zu dürfen.
Entgegen der vorinstanzlichen Entscheidungen verurteilte das Kammergericht die Gemeinschaft zur Erteilung dieser Zustimmung und sah in der beabsichtigten Nutzung auch keinen Verstoß gegen insoweit - wie üblich - getroffene Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung. Die Unterbringung jeweils einer bis zu 5-köpfigen Familie in der Wohnung des Antragstellers für eine jeweilige Übergangszeit liege noch im Rahmen der Zweckbestimmung "für Wohnzwecke". Ob ein Antragsteller eine solche Gebrauchsüberlassung selbst vornehme oder dies der öffentlichen Hand überlasse, sei rechtlich unerheblich. Das auf eine gewisse Zeit angelegte Bewohnen durch eine Familie bringe noch keine andere oder intensivere Nutzung mit sich als eine normale Vermietung (vgl. auch BayObLG, NJW 1992, 917).
Eine gewerbliche Nutzung läge bei der angestrebten Verwendung nicht vor, da in der Wohnung kein Gewerbe bzw. Beruf ausgeübt werde. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Wohnung entweder nach Art einer Pension (ständiger Wechsel der Bewohner in kürzester Frist) oder nach Art eines Heimes (Vielzahl von nicht familiär verbundenen Personen innerhalb einer Wohneinheit) genutzt werden sollte (vgl. OLG Hamm, NJW 1982, 184).
Auch eine Überbelegung und damit eine übermäßige Benutzung der Wohnung sei nicht anzunehmen. Nach § 7 Abs. 1 des Wohnungsaufsichtsgesetzes von Berlin in der Fassung vom 3. 4. 1990 (GVBl 1990, 1081) sei die Überlassung oder Benutzung einer Wohnung zulässig, wenn für jede Person eine Wohnfläche von mindestens 9 qm, für jedes Kind bis zu 6 Jahre eine Wohnfläche von mindestens 6 qm vorhanden sei. Im vorliegenden Fall würden damit für 5 Personen durchschnittlich mehr als 10 qm zur Verfügung stehen. Anders als vielleicht bei einer Überlassung an einen privaten Zwischenvermieter könne bei vertraglicher Überlassung einer Wohnung an die öffentliche Hand i. ü. davon ausgegangen werden, dass diese sich an die im Vertrag mit dem Antragsteller vorgegebenen Benutzungszwecke halte und eine darüber hinausgehende Gebrauchsüberlassung unterlasse. Im vorliegenden Fall habe der Antragsteller dem Dritten alle Verpflichtungen aufzuerlegen, die er selbst nach Gemeinschaftsordnung gegenüber den restlichen Wohnungseigentümern erfüllen müsse. Die evtl. Notwendigkeit einer Zweckentfremdungsgenehmigung, die aber erst bei einer heimmäßigen Unterbringung - wie hier nicht beabsichtigt - erforderlich sein dürfte (vgl. OVG Berlin GE 1990, 45 und 685), sei ggf. von der öffentlichen Hand zu klären.
Auch ein erzielter höherer Mietzins könne dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden. Er spiegele zwar eine gesteigerte Wohnungsnutzung wieder, rechtlich maßgebend bleibe jedoch allein, ob sich die tatsächliche Wohnungsnutzung noch im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen in der Teilungserklärung (Benutzung zu Wohnzwecken) halte. Auch Argumente, mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwartende "Aggressionen, lautstarke Auseinandersetzungen und nicht zuletzt auch hygienische Bedenken beim Zusammenleben von 5 Personen auf so engem Raum", würden im vorliegenden Fall nicht auf konkreten Feststellungen beruhen. Derartige Unzuträglichkeiten könnten weder bei der Benutzung durch den Wohnungseigentümer selbst noch bei einer sonstigen üblichen Vermietung an Dritte ausgeschlossen werden und führten ggf. zu entsprechenden Unterlassungsansprüchen. Der vom Antragsteller bezeichnete Personenkreis rechtfertige derartige Unterstellungen nicht.
Selbst eine vereinbarte Verpflichtung der Eigentümer, die Eigenart des Bauwerks als "gutes Wohnhaus"zu wahren und zu schützen, schließe es nicht schlechthin aus, eine Wohnung einem bestimmten Personenkreis wie Aus- und Übersiedlern zu überlassen, da es regelmäßig keinen Anspruch auf die Wahrung einer bestimmten sozialen Zusammensetzung eines Wohnumfeldes gäbe, sodass im vorliegenden Fall auch der Gesamtcharakter des Hauses nicht beeinträchtigt werde (vgl. auch BayObLG, NJW 1992, 917). Es könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass der Verkaufswert einer anderen Wohnung evtl. sinke, wenn in einer Wohnung ein bestimmter Personenkreis untergebracht werde; entscheidend sei allein, ob sich eine Gebrauchsüberlassung im Rahmen der vereinbarten Nutzungsregelungen halte.
2. Keine außergerichtliche Kostenerstattung, Gerichtskosten aller drei Instanzen zulasten des Verwaltungsvermögens, Geschäftswert: DM 5.000,-.
Link zur Entscheidung
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