Leitsatz
Eltern eines minderjährigen Kindes stritten sich um das Sorgerecht. Sie hatten in einem Verfahren vor dem FamG einen Vergleich geschlossen, mit dem sie vor dem Hintergrund des Verdachts einer bipolaren Störung bei der Kindesmutter die Betreuung des Kindes genau untereinander aufgeteilt hatten mit Ausnahme der Zeiten, die das Kind im Ganztagskindergarten verbrachte. Nach dieser Vereinbarung verbrachte das Kind 65 Stunden bei der Kindesmutter und 68,5 Stunden bei dem Kindesvater. Die Kindesmutter nahm den Kindesvater auf Zahlung von Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind in Anspruch. Die hierfür beantragte Prozesskostenhilfe wurde ihr nicht bewilligt.
Auch ihr Rechtsmittel gegen den ablehnenden PKH-Beschluss hatte keinen Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Auch das OLG hielt den Klageantrag für unzulässig und folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach der Klägerin Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden könne.
Nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB könne bei gemeinsamer elterlicher Sorge der geschiedene Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befinde, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der Begriff der Obhut stelle auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befinde sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liege, der sich somit vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmere (BGH FamRZ 2006, 1015 m.w.N.; BGH FamRZ 2007, 707 m.w.N.; Büttner FamRZ 1998, 585, 593; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1629 Rz. 6; MünchKomm/Huber, BGB, 4. Aufl., § 1629 Rz. 87).
Betreuten die Eltern ihr Kind in der Weise, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebe (sog. Wechselmodell) lasse sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Dies habe zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB inne habe. In einem solchen Fall müsse der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig halte, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertrete, oder beim FamG beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (MünchKomm/Huber, a.a.O., § 1629 Rz. 88; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1629 Rz. 6).
Im vorliegenden Fall fehle es an einer eindeutigen Zuordnungsmöglichkeit. Nach der Vereinbarung der Eltern verbringe das Kind 65 Stunden bei der Kindesmutter und 68,5 Stunden bei dem Kindesvater. Dies schließe die Beurteilung, dass der Schwerpunkt tatsächlicher Fürsorge bei der Kindesmutter liege.
Der Auffassung der Mutter, dass die Zeiten des Kindergartenbesuchs ihrer Obhutszeit zuzurechnen seien, sei nicht zu folgen. Im vorliegenden Fall bestehe die Besonderheit, dass die Eltern in ihrer Vereinbarung bewusst einen Ganztagskindergarten gewählt hätten, da die schwerpunktmäßige Betreuung durch die Mutter allein nicht gesichert schien. Die Eltern hätten somit unter Zuhilfenahme von Fremdbetreuung ein Modell entwickelt, mit dem sie die Betreuung durch die Kindesmutter auf die Zeit von montags nachmittags bis freitags morgens reduziert hätten. In diesem Fall sei es gerechtfertigt, auf die Zeiträume der tatsächlichen Betreuung außerhalb des Ganztagskindergartens abzustellen, die zwischen den Eltern in etwa gleichmäßig aufgeteilt worden seien.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss vom 03.07.2008, 11 WF 547/08