Leitsatz

Verlangt ein Wohnungseigentümer vom anderen die Unterlassung der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen, muss er in Nordrhein-Westfalen vorher gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) ein obligatorisches Schlichtungsverfahren durchführen.

 

Normenkette

EGZPO § 15a

 

Das Problem

Die Wohnungseigentümerin K geht wegen Fernseh- und Musikgeräuschen, wegen Türknallens, Möbelverrückens, des Tragens von Stöckelschuhen und Geräuschen bei Herablassen von Rollläden gegen die Wohnungseigentümerin B im Wege der Unterlassung vor dem Amtsgericht – Wohnungseigentumsgericht – vor. Die Klage hat Erfolg und das Amtsgericht verurteilt B zur Unterlassung. Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung. Mit Erfolg!

 

Die Entscheidung

  1. Das Amtsgericht habe den Unterlassungsanträgen zu Unrecht stattgegeben. Das Amtsgericht hätte die Klage als (zurzeit) unzulässig abweisen müssen. Vor der Erhebung der Klage hätte gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) ein obligatorisches Schlichtungsverfahren durchgeführt werden müssen (Hinweis auf LG Dortmund v. 24.1.2017, 1 S 166/16).

    § 53 JustG NRW

    (1) Die Erhebung einer Klage ist erst zulässig, nachdem von einer in § 55 genannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen,

    1. in Streitigkeiten über Ansprüche wegen

      1. der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelten Einwirkungen, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
      2. Überwuchses nach § 910 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
      3. Hinüberfalls nach § 911 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
      4. eines Grenzbaums nach § 923 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
      5. der im Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
    2. in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind,
    3. in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

    (2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf

    1. Klagen nach §§ 323, 324, 328 der Zivilprozessordnung, Widerklagen und Klagen, die binnen einer gesetzlichen oder gerichtlich angeordneten Frist zu erheben sind,
    2. Streitigkeiten in Familiensachen,
    3. Wiederaufnahmeverfahren,
    4. Ansprüche, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess geltend gemacht werden,
    5. die Durchführung des streitigen Verfahrens, wenn ein Anspruch im Mahnverfahren geltend gemacht worden ist,
    6. Klagen wegen vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen, insbesondere nach dem Achten Buch der Zivilprozessordnung,
    7. Anträge nach § 404 der Strafprozessordnung,
    8. Klagen, denen nach anderen gesetzlichen Bestimmungen ein Vorverfahren vorauszugehen hat.

    Die Klage sei deshalb unheilbar unzulässig (Hinweis u.a. auf BGH v. 23.11.2004, VI ZR 336/03, Rn. 15 – juris, und LG Dortmund v. 8.6.2017, 1 S 451/15) – was die Kammer von Amts wegen zu berücksichtigen habe.

  2. Es könne dabei dahinstehen, ob sich der von K geltend gemachte Unterlassungsanspruch materiellrechtlich auf § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 8, 9 LImSchG NRW oder § 862 BGB stütze. Denn auch in letzteren Fällen handele es sich um eine Streitigkeit "über Ansprüche wegen der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelten Einwirkungen", weil der Streitgegenstand den sachlichen Regelungsbereich des § 906 BGB betreffe (Hinweis u.a. auf OLG Saarbrücken v. 20.5.2015, 1 U 131/14, BeckRS 2015, 10748 Rn. 23 und OLG Köln v. 18.1.2006, 2 U 113/05, Rn. 4 – juris). Die von K behaupteten Fernseh- und Musikgeräusche stellten "Geräusche" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Das gelte gleichermaßen für die behaupteten, durch Türknallen, Möbelverrücken, Stöckelschuhe oder dem Herablassen von Rollläden verursachten Geräusche.
  3. Zwar sei § 906 BGB zwischen den Parteien nicht unmittelbar anzuwenden, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut voraussetze, dass die auf das Grundstück des Anspruchstellers einwirkende Störung von einem anderen Grundstück herrühre, es sich mithin um einen grenzüberschreitenden "Eingriff von außen" handele (Hinweis auf BGH v. 25.10.2013, V ZR 230/12, NZM 2014 S. 37 Rn. 13). Der sachliche Regelungsbereich des § 906 BGB, die widerstreitenden Nutzungsinteressen von (Grundstücks-) Nachbarn zum Ausgleich zu bringen, sei indes gleichwohl eröffnet. Denn die Vorschrift sei entsprechend anzuwenden, weil Sondereigentum durch Einwirkungen beeinträchtigt werde, die vom benachbarten Sondereigentum der B ausgingen (Hinweis auf BGH v. 25.10.2013, V ZR 230/12, NZM 2014 S. 37 Rn. 12). Anders als bei Beeinträchtigungen, die vom gemeinschaftlichen Eigentum ausgingen, gehe es bei von Sondereigentum herrührenden Beeinträchtigungen nämlich ebenfalls um eine Beeinträchtigung "von außen", weil sich insoweit strukturell keine gleic...

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