Leitsatz
Eltern stritten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den gemeinsamen Sohn, der nach der Trennung seiner Eltern zunächst beim Vater verblieben war und am 20.7.2006 in den Haushalt der Mutter gewechselt hatte. Der Vater wohnte im Bezirk des AG Gelsenkirchen, die Mutter im Bezirk des AG Gelsenkirchen-Buer.
Den bei dem FamG Gelsenkirchen am 23.5.2006 eingegangenen Antrag des Vaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn hat das FamG Gelsenkirchen der Kindesmutter am 29.5.2006 förmlich zugestellt.
Über die örtliche Zuständigkeit für den am 22.5. 2006 von der Mutter vor dem FamG Gelsenkirchen gestellten Scheidungsantrag verbunden mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das OLG durch Beschluss vom 22.12.2006 entschieden und die Zuständigkeit des FamG Gelsenkirchen-Buer festgestellt. Dieses Gericht hat die begehrte Prozesskostenhilfe für den Scheidungsantrag durch Beschluss vom 31.1.2007 wegen Nichtablaufs des Trennungsjahres verweigert. Seither wurde das Scheidungsverfahren nicht weiter betrieben.
Das FamG Gelsenkirchen hat das Verfahren betreffend die elterliche Sorge - bzw. das Aufenthaltsbestimmungsrecht - mit Beschluss vom 17.11.2006 an das FamG Gelsenkirchen-Buer verwiesen unter Hinweis darauf, dass dort die Ehesache anhängig sei. Mit Beschluss vom 23.2.2007 hat das FamG Gelsenkirchen-Buer die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Daraufhin hat sich das FamG Gelsenkirchen durch Beschluss vom 13.3.2007 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem OLG zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die örtliche Zuständigkeit des FamG Gelsenkirchen für gegeben. Danach sei dasjenige Gericht für die Regelung der elterlichen Sorge zuständig, in dessen Bezirk das betroffene minderjährige Kind seinen Wohnsitz habe. Dass das gemeinsame Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung im Sorgerechtsverfahren einen Doppelwohnsitz - sowohl am Wohnort des Vaters als auch dem Wohnort der Mutter - gehabt habe, weil das minderjährige Kind seinen Wohnsitz vom Wohnsitz der sorgeberechtigten Eltern ableite und beide Eltern ihren Wohnsitz am Ort unterschiedlicher Gerichte hätten, stehe der Begründung der Zuständigkeit des FamG Gelsenkirchen nicht entgegen. In diesem Fall der Wahlzuständigkeit entstehe die örtliche Zuständigkeit bei dem Gericht, bei dem das Verfahren zuerst rechtshängig gemacht werde (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 35 Rz. 2).
Rechtshängig sei das Verfahren betreffend die elterliche Sorge durch Zustellung der Antragsschrift an die Kindesmutter durch das AG Gelsenkirchen am 29.5.2006 geworden.
Die örtliche Zuständigkeit FamG Gelsenkirchen sei nicht durch die Verweisung des Rechtsstreits an das FamG Gelsenkirchen-Buer nach § 621 Abs. 3 ZPO aufgehoben worden. Eine zuständigkeitsbegründende Verweisung nach dieser Vorschrift setze voraus, dass die Ehesache beim FamG Gelsenkirchen-Buer rechtshängig geworden sei. Hieran fehle es, eine förmliche Zustellung des Scheidungsantrages der Kindesmutter an den Kindesvater in dem dort anhängigen Scheidungsverfahren sei nicht erfolgt.
Die örtliche Zuständigkeit des FamG Gelsenkirchen-Buer folge auch nicht aus § 621 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Kindesmutter habe ihren Scheidungsantrag nicht unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe für die Ehescheidung beseitige deren Anhängigkeit nicht.
§ 621 Abs. 2 ZPO begründe jedoch eine ausschließliche Zuständigkeit nur für solche Familiensachen, die bei Anhängigwerden der Ehesache noch nicht - bei einem anderen Gericht - rechtshängig seien. Dies folge aus § 621 Abs. 2 S. 2 ZPO, wonach sich die örtliche Zuständigkeit für eine Familiensache vor Anhängigkeit der Ehesache nach den allgemeinen Vorschriften richte und aus § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, wonach eine einmal bei Rechtshängigkeit begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine nachträgliche Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt werde.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach Rechtshängigwerden einer Familiensache bei einem anderen - mit der Ehesache nicht befassten Gericht - in der Regel davon ausgegangen werden könne, dass sich das damit befasste Gericht bereits in den Sach- und Rechtsstand eingearbeitet habe.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 30.04.2007, 2 Sdb (FamS) Zust. 3/07