Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 251
Das österreichische Abstammungsrecht erfuhr im Zuge des Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetzes 2004 (FamErbRÄG 2004) tiefgreifende Veränderungen; das gesamte Abstammungsverfahren wurde damals in das Außerstreitverfahren verlagert. Das KindNamRÄG 2013 hat eine weitgehende Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder bewirkt und die Begriffe "ehelich" und "unehelich" aus dem Gesetzestext eliminiert. Schließlich hat die Öffnung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für Frauenpaare durch den VfGH auch zu Anpassungen im Abstammungsrecht geführt.
Rz. 252
Mutter ist gem. § 143 ABGB die Frau, die das Kind geboren hat. Das österreichische Recht verbietet die Leihmutterschaft (§ 3 Abs. 1 FMedG). Nach § 143 ABGB bliebe bei einer dennoch verbotswidrig durchgeführten Leihmutterschaft im In- oder Ausland Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. Die Eizellspende ist seit dem FMedRÄG 2015 zulässig. Die Frau, von der die Eizelle stammt, kann jedoch nicht als Mutter festgestellt werden. Die Spenderin muss nach § 2b Abs. 2 FMedG zwischen 18 und 30 Jahre alt sein; die Eizellempfängerin darf zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 3 Abs. 3 FMedG).
Rz. 253
Die Vaterschaft kann gem. § 144 Abs. 1 ABGB auf verschiedene Arten rechtlich begründet werden: durch die Ehe oder nun wohl auch durch die eingetragene Partnerschaft mit der Mutter, durch Anerkenntnis oder durch gerichtliche Entscheidung.
Rechtlicher Vater ist nach § 144 Abs. 1 Z. 1 ABGB jener Mann, der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet oder in eingetragener Partnerschaft verbunden ist oder als Ehemann bzw. eingetragener Partner der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist. Sowohl der Ehemann bzw. der eingetragene Partner der Mutter als auch das Kind haben die Möglichkeit, die Feststellung der Nichtabstammung gem. § 151 ABGB zu beantragen.
Rz. 254
Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet oder in eingetragener Partnerschaft verbunden, so ist der Mann Vater, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft festgestellt ist (§ 144 Abs. 1 Z. 2 und 3 ABGB).
Rz. 255
Das österreichische Recht kennt seit dem KindRÄG 2001 überdies die Möglichkeit, dass ein Mann ein Vaterschaftsanerkenntnis abgibt, obwohl zum Zeitpunkt der Anerkennung bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes feststeht ("durchbrechendes Vaterschaftsanerkenntnis"). Ein solches Anerkenntnis wird rechtswirksam, wenn das Kind diesem in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zustimmt. Ist das Kind minderjährig, so wird das Anerkenntnis überdies nur rechtswirksam, wenn die entscheidungsfähige Mutter selbst den Anerkennenden in der genannten Form als Vater bezeichnet (§ 147 Abs. 2 ABGB). Für die Zustimmung des minderjährigen Kindes ist der Kinder- und Jugendhilfeträger ex lege gesetzlicher Vertreter (§ 147 Abs. 4 ABGB). Liegen diese Voraussetzungen vor, wird die rechtliche Vaterschaft des anderen Mannes beseitigt. Diesem bleibt jedoch die Möglichkeit, einen Widerspruch zu erheben (§ 147 Abs. 3 i.V.m. § 146 ABGB); das Gericht hat in der Folge das Anerkenntnis für rechtsunwirksam zu erklären, es sei denn, es ist erwiesen, dass das Kind vom Anerkennenden abstammt (DNA-Analyse).
Rz. 256
Seit dem FamErbRÄG 2004 hat das Kind (nur dieses!) die Möglichkeit, die gerichtliche Feststellung der Abstammung auch dann zu beantragen, wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes bereits feststeht ("Vätertausch"). Die Feststellung der Abstammung hat dann die vom Gericht auszusprechende Wirkung, dass das Kind nicht vom anderen Mann abstammt (§ 150 ABGB). Das Kind hat dadurch ein subjektives Recht auf Beseitigung einer bestehenden Abstammung, gleichgültig, auf welchem Rechtsgrund diese beruht.
Rz. 257
Ist an der Mutter eines Kindes in der empfängniskritischen Zeit eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden, so kann auch eine Frau zweiter Elternteil sein: Das ist nach § 144 Abs. 2 ABGB dann der Fall, wenn sie
1. |
mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes in einer eingetragenen Partnerschaft oder Ehe verbunden ist oder als eingetragene Partnerin bzw. Ehegattin der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist oder |
2. |
die Elternschaft anerkannt hat oder |
3. |
ihre Elternschaft gerichtlich festgestellt ist. |
Auf diese Frau sind die auf den Vater und die Vaterschaft Bezug nehmenden Bestimmungen im ABGB und anderen bundesgesetzlichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden (§ 144 Abs. 3 ABGB). Das bedeutet, dass die Ausführungen zum durchbrechenden Vaterschaftsanerkenntnis und Vätertausch sinngemäß auch für eine solche Frau als "anderer Elternteil" gelten.