Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 258
Nach österreichischem Recht kommt die Adoption (Annahme an Kindes statt) durch einen schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung zustande (§ 192 Abs. 1 ABGB). Die Nichteinhaltung der Formvorschrift bildet eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit.
Rz. 259
§ 191 Abs. 1 ABGB sieht seit dem 2. Erwachsenenschutzgesetz als persönliche Voraussetzung der annehmenden Person deren Entscheidungsfähigkeit vor. Auf Seiten der annehmenden Person ist die Adoption somit absolut vertretungsfeindlich, sodass eine Vertretung der adoptierenden Person nach Verlust ihrer Entscheidungsfähigkeit ausgeschlossen ist. Die Wahleltern müssen mindestens das 25. Lebensjahr vollendet haben und älter als das Wahlkind sein (§ 193 ABGB). Die Annahme an Kindes statt kann durch eine Einzelperson oder durch Ehegatten bzw. eingetragene Partner erfolgen, wobei Ehegatten und eingetragene Partner grundsätzlich nur gemeinsam adoptieren dürfen. Eine Ausnahme liegt etwa vor, wenn das leibliche Kind des anderen angenommen werden soll (§ 191 Abs. 2 S. 2 ABGB). Offen ist die Frage, ob Lebensgefährten gemeinsam annehmen können.
Rz. 260
Das Wahlkind kann minderjährig oder volljährig sein. Das entscheidungsfähige Wahlkind schließt den Vertrag selbst ab, wobei im Zweifel das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit ab Mündigkeit vermutet wird (§ 192 Abs. 2 ABGB). Auch wenn das entscheidungsfähige minderjährige Wahlkind den Vertrag nur selbst abschließen kann, bedarf es zur gerichtlichen Bewilligung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 195 Abs. 1 Z. 5 ABGB). Ist die anzunehmende Person nicht entscheidungsfähig, kann der gesetzliche Vertreter für sie den Vertrag abschließen; verweigert dieser die Einwilligung, hat das Gericht sie auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen (§ 192 Abs. 3 ABGB).
Rz. 261
Beim minderjährigen Kind muss die Adoption seinem Wohle dienen und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehen oder hergestellt werden. Ist das Wahlkind bereits volljährig, ist die Annahme nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben (§ 194 Abs. 1 ABGB). Ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden, etwa die Gefährdung von dessen Unterhalt oder Erziehung, kann ein Grund für die Versagung der Bewilligung sein; im Übrigen sind aber wirtschaftliche Belange grundsätzlich nicht zu beachten (§ 194 Abs. 2 ABGB).
Rz. 262
Um Scheinadoptionen von erwachsenen Ausländern (zur Erlangung einer Aufenthalts- bzw. Beschäftigungsbewilligung) vorzubeugen, sieht § 26 Abs. 1 S. 1 IPRG vor, dass bei Adoption einer entscheidungsfähigen Person die Voraussetzungen der Adoption nicht nur nach dem Personalstatut jedes Annehmenden, sondern auch nach dem Personalstatut des Wahlkindes zu beurteilen sind. Damit ist eine Annahme an Kindes statt nicht möglich, wenn sie nach dem Heimatrecht des Wahlkindes ausgeschlossen ist.
Rz. 263
Die gerichtliche Bewilligung ist nur zu erteilen, wenn die Eltern des minderjährigen Wahlkindes, der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Annehmenden, der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Wahlkindes, das nicht entscheidungsfähige volljährige Wahlkind (für das gem. § 192 Abs. 3 ABGB dessen gesetzlicher Vertreter den Vertrag abschließt) und der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Wahlkindes zustimmen (§ 195 Abs. 1 ABGB). In bestimmten Fällen, etwa bei Äußerungsunfähigkeit des Wahlkindes, entfällt das Zustimmungsrecht; kein Zustimmungsrecht haben leibliche Eltern, deren Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt ist (§ 195 Abs. 2 ABGB). Auf Antrag eines Vertragsteils hat das Gericht die verweigerte Zustimmung zu ersetzten, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen (§ 195 Abs. 3 ABGB). Um der Gefahr einer "Kindesenteignung" entgegenzusteuern, ist im Zweifel anzunehmen, dass die Weigerung gerechtfertigt ist.
Rz. 264
Die §§ 200 ff. ABGB regeln den Widerruf und die Aufhebung der Adoption.
Rz. 265
Das österreichische Recht ermöglicht bei minderjährigen Wahlkindern eine Inkognitoadoption. Hierbei verzichten die Zustimmungs- und Anhörungsberechtigten (§§ 195 f. ABGB) – abgesehen vom Kinder- und Jugendhilfeträger – auf die Mitteilung des Namens und des Wohnorts des Annehmenden und auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses, um eine ungestörte Eltern-Kind-Beziehung zwischen den Annehmenden und dem Wahlkind zu gewährleisten (§ 88 AußStrG). Das Wahlkind hat ab Vollendung des 14. Lebensjahres das Recht, in den Adoptionsakt Einsicht zu nehmen; den leiblichen Eltern, d...