Entscheidungsstichwort (Thema)
Drogenfahrt. Fahrverbot. Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Betäubungsmittelkonsum. Blut. Wirkstoffkonzentration. Nachweisgrenzwert. Cannabis. Tetrahydrocannabinol. THC. Medizinal-Cannabisblüten. Fahrlässigkeit. Beweiswürdigung. lückenhaft. Sachverständiger. Krankheit. Therapie. Arzneimittel. Medikamentenklausel. Arzt. Verschreibung. Schmerzen. bestimmungsgemäß. missbräuchlich. Dosierungsanleitung. Schutzbehauptung. Zum Sachverhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Die bußgeldrechtliche Ahndung einer Drogenfahrt nach § 24a II oder III StVG scheidet gemäß § 24a II 3 StVG aus, wenn die im Blut des Betroffenen nachgewiesene Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, d.h. der Einfluss der Substanz allein auf der Einnahme der sich aus der ärztlichen Verordnung vorgegebenen Dosierung und auch nicht auf einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung beruht.
2. Bringt der Betroffene vor, die nachgewiesene berauschende Substanz beruhe auf der bestimmungsgemäßen Einnahme als Arzneimittel gemäß einer für ihn ausgestellten ärztlichen Verordnung, hat sich das Tatgericht hiermit näher zu befassen, sofern es nicht von einer reinen Schutzbehauptung ausgeht. Die tatrichterliche Beweiswürdigung erweist sich deshalb als lückenhaft, wenn sich aus dem Urteil nicht ergibt, warum der Einwand des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 24a II 3 StVG als unbeachtlich angesehen worden ist.
Normenkette
StVG § 24a Abs. 2 S. 3; StPO §§ 261, 267; OWiG § 71 Abs. 1; BKatV § 4 Abs. 3
Tatbestand
Das AG verurteilte den einschlägig vorgeahndeten Betr. wegen einer fahrlässigen Drogenfahrt (Tatzeit: 15.12.2017; festgestellte THC-Konzentration: 11 ng/ml) gem. § 24a II, III StVG zu einer Geldbuße von 1.000 EUR und ordnete gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von 3 Monaten an. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr. führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 79 I 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betr. ist begründet. Die Sachrüge hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Der Schuldspruch wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24a II und III StVG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die ihm zugrunde liegende Beweiswürdigung ist lückenhaft und ermöglicht dem Senat daher nicht die gebotene Nachprüfung (§§ 261, 267 StPO i.V.m. § 71 I OWiG).
1. Nach den Feststellungen des AG im Rahmen der Beweiswürdigung hat sich der Betr. "letztlich mit einem Geständnis eingelassen", jedoch geltend gemacht, es habe sich um medizinisch verordnetes Cannabis gehandelt, weshalb er glaube, dass er insoweit berechtigt Auto gefahren sei. Ausweislich der Angaben der polizeilichen Kontrollbeamtin hatte der Betr. nach Belehrung und auf Anfrage angegeben, er habe das Cannabis wegen körperlicher Beschwerden eingenommen, da er eine Beinprothese am rechten Bein trage. Nach den Ausführungen der gerichtlich beauftragten Sachverständigen, denen das AG folgte, mache es "für die Drogenintoxikation aufgrund Cannabis mit entsprechenden Ausfallerscheinungen keinen Unterschied [...], ob es sich um illegal erworbenes Marihuana oder zu medizinischen Zwecken verordnetes handle, da es sich um den gleichen Wirkstoff handle". Der Betr. habe den "Grenzwert im Anhang zu § 24a StVG" [...] um mehr als das 10-fache des zulässigen Wertes überschritten. Auf der Grundlage dieser Beweisergebnisse hat es das AG "für vollkommen unbedeutend" gehalten, "ob der Betr. Marihuana sich auf dem Schwarzmarkt besorgt hat oder ob er medizinisch verordnetes Marihuana konsumiert" hat.
2. Diese Erwägungen sind lückenhaft und tragen eine Verurteilung des Betr. wegen eines fahrlässig begangenen Verstoßes gegen § 24a II i.V.m. III StVG nicht.
a) Zwar ist es allein Aufgabe des Tatrichters, den Sachverhalt festzustellen und die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu würdigen. Er hat insoweit ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu überprüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Tathergang überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH NJW 1979, 2318). Allein in seinen Verantwortungsbereich fällt, mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen und zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Überzeugung kommt. Die Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Rahmen der Rechtsbeschwerde ist demnach auf die Frage beschränkt, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
b) Soweit der Tatrichter gemeint hat, sich mit dem Vorbringen des Betr., wonach es sich bei dem von ihm eingenommenen Cannabis um "medizinisch verordnetes" gehandelt habe, nicht weiter befassen zu müssen, weil es nicht von Bedeutung sei, ob ...