![Cannabis und Straßenverkehr Cannabis und Straßenverkehr](https://www.haufe.de/image/joint-wird-angezuendet-441784-1.jpg?trafo=21x10&width=300&digest=Ge1t8e0jIbCO3TLhUIiBkP0pdC4lWd9IeES5G2bYweY%3D)
Flankierend zur seit Anfang April geltenden Teillegalisierung von Cannabis hat sich die Bundesregierung nun auf eine deutliche Anhebung des bisher akzeptierten THC-Grenzwertes im Blutserum von Autofahrern geeinigt. Bei Überschreitung des Grenzwertes drohen drastische Strafen.
Seit dem 1. April ist in Deutschland der Cannabiskonsum für Volljährige legal. Der Besitz bis zu 25 g getrocknetem Cannabis im öffentlichen Raum und bis zu 50 g in den eigenen vier Wänden sind gemäß § 3 CanG straffrei. Für Minderjährige bleiben der Besitz und der Konsum von Cannabis nach wie vor verboten, § 2 CanG. Für junge Erwachsene bestehen Beschränkungen bei den Abgabemengen und bei dem erlaubten THC-Gehalt. Nicht gewinnorientierte Vereinigungen dürfen unter definierten Rahmenbedingungen künftig gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum abgeben, §§ 11 ff CanG. Bisher nicht geklärt war die Frage der verkehrsrechtlichen Auswirkungen der begrenzten Freigabe des Cannabiskonsums.
THC-Gehalt beeinflusst die Fahrtüchtigkeit
Maßgebliches Kriterium für die Auswirkungen des Konsums von Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit ist der in der Droge enthaltene Gehalt des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC-Gehalt). Der daraus folgende THC-Gehalt im Blut des Cannabiskonsumenten ist ein entscheidender Faktor für die Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr.
In der Praxis gilt aktuell ein THC-Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC
Wer unter Einfluss von Cannabis im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, riskiert grundsätzlich ein Fahrverbot oder in schweren Fällen den Entzug der Fahrerlaubnis. Aktuell existiert für den tolerierbaren THC-Gehalt im Blut – anders als die 0,5 Promille-Grenze bei Alkohol – kein gesetzlicher Grenzwert. In der bisherigen Rechtsprechungspraxis hat sich aufgrund diverser gutachterliche Stellungnahmen ein maximal tolerierbarer Wert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum etabliert (BGH, Beschluss v. 14.2.20017, 4 StR 422/15). Bei Überschreitung dieses Grenzwertes ist gemäß § 24a Abs. 2 StVG regelmäßig mit einem Bußgeld von mindestens 500 EUR, einem Fahrverbot und Punkten in Flensburg zu rechnen.
Neuer Grenzwert: 3,5 Nanogramm THC
Im Auftrag der Ampel-Regierung hatte sich eine Expertenkommission, bestehend aus Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen, mit der Wirkung von THC auf die Fahrtüchtigkeit befasst. Die Kommission sieht Gründe für die Annahme der Herabsetzung der Fahrtüchtigkeit und insbesondere des Reaktionsvermögens abweichend von der bisherigen Rechtsprechungspraxis erst ab einer Konzentration von 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum als gegeben an.
Regierung beschließt Anpassung des StVG
Auf den von der Kommission empfohlenen THC-Wert von 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum hat sich die Ampel nun geeinigt. Gemäß neuem § 24a Abs. 1a StVG-E soll das vorsätzliche oder fahrlässige Führen eines Kfz im Straßenverkehr unter Überschreitung eines THC-Wertes von 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum künftig als Ordnungswidrigkeit gewertet werden, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro und gemäß § 25 StVG mit einem Fahrverbot geahndet werden kann.
Niedrigerer Grenzwert für Fahranfänger
Ergänzend gilt für Fahranfänger und junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres neben dem bestehenden Alkoholverbot gemäß § 24c StVG-E ein Verbot von Cannabiskonsum, bei dem der bisher in der Rechtsprechung gültige Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum überschritten wird.
Kein Mischkonsum von Alkohol und Cannabis
Wegen der möglichen Wechselwirkungen mit Alkohol sieht der von der Koalition vorgelegte Gesetzentwurf ein striktes Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten vor, die im Straßenverkehr ein Kfz führen, § 24a Abs. 2a StVG-E.
Bundestag berät neuen Grenzwert am 16.5.2024 in 1. Lesung
Für eine entsprechende Anpassung des StVG ist ein Beschluss des Bundestags erforderlich. Die 1. Lesung des Gesetzentwurfes steht für den 16.5.2024 auf dem Plan des Bundestags.
Kritik am neuen Grenzwert aus unterschiedlichen Lagern
Sowohl aus der Politik als auch von verschiedenen Fachverbänden ist Kritik an dem neuen Grenzwert zu hören. Ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum wird von einigen als deutlich zu hoch, von anderen als zu niedrig empfunden. Zum Vergleich: In Kanada gilt ein Grenzwert von 10 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Nach der Bewertung maßgeblicher Sachverständiger soll der Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum hinsichtlich der Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit einem Blutalkoholgehalt von 0,2 Promille vergleichbar sein.
Messverfahren für THC-Wert noch nicht geklärt
Noch nicht endgültig geklärt sind die Fragen hinsichtlich der Messverfahren zur Bestimmung des THC-Gehaltes im Blut. Kontrovers bewertet wird insbesondere die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der für eine Messung infrage kommenden Analyse der Mundhöhlenflüssigkeit. Ein Problem hierbei ist u. a., dass chronische Cannabiskonsumenten dauerhaft einen gewissen THC-Pegel im Blut aufweisen, auch wenn sie einige Zeit nicht konsumiert haben und eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht mehr besteht. Der Einsatz von Speicheltests dürfte in der Praxis dennoch das Mittel der Wahl sein.