Cannabis und Straßenverkehr

Flankierend zur seit Anfang April geltenden Teillegalisierung von Cannabis hat sich die Bundesregierung nun auf eine deutliche Anhebung des bisher akzeptierten THC-Grenzwertes im Blutserum von Autofahrern geeinigt. Bei Überschreitung des Grenzwertes drohen drastische Strafen.

Seit dem 1. April ist in Deutsch­land der Can­na­bis­konsum für Voll­jäh­rige legal. Der Besitz bis zu 25 g getrock­netem Can­nabis im öffent­li­chen Raum und bis zu 50 g in den eigenen vier Wänden sind gemäß § 3 CanG straf­frei. Für Min­der­jäh­rige bleiben der Besitz und der Konsum von Can­nabis nach wie vor ver­boten, § 2 CanG. Für junge Erwach­sene bestehen Beschrän­kungen bei den Abga­be­mengen und bei dem erlaubten THC-Gehalt. Nicht gewinn­ori­en­tierte Ver­ei­ni­gungen dürfen unter defi­nierten Rah­men­be­din­gungen künftig gemein­schaft­lich Can­nabis zu Genuss­zwe­cken anbauen und an ihre Mit­glieder zum Eigen­konsum abgeben, §§ 11 ff CanG. Bisher nicht geklärt war die Frage der verkehrsrechtlichen Auswirkungen der begrenzten Freigabe des Cannabiskonsums.

THC-Gehalt beein­flusst die Fahr­tüch­tig­keit

Maßgebliches Kriterium für die Auswirkungen des Konsums von Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit ist der in der Droge enthaltene Gehalt des Wirkstoffes Tetra­hy­dro­can­na­binol (THC-Gehalt). Der daraus folgende THC-Gehalt im Blut des Cannabiskonsumenten ist ein ent­schei­dender Faktor für die Beein­flus­sung der Fahr­tüch­tig­keit im Stra­ßen­ver­kehr.

In der Praxis gilt aktuell ein THC-Grenz­wert von 1,0 Nano­gramm THC

Wer unter Ein­fluss von Can­nabis im Stra­ßen­ver­kehr ein Fahr­zeug führt, ris­kiert grund­sätz­lich ein Fahr­verbot oder in schweren Fällen den Entzug der Fahr­erlaubnis. Aktuell exis­tiert für den tole­rier­baren THC-Gehalt im Blut – anders als die 0,5 Pro­mille-Grenze bei Alkohol – kein gesetz­li­cher Grenz­wert. In der bis­he­rigen Recht­spre­chungs­praxis hat sich auf­grund diverser gut­ach­ter­liche Stel­lung­nahmen ein maximal tole­rier­barer Wert von 1,0 Nano­gramm THC pro Mil­li­liter Blut­serum eta­bliert (BGH, Beschluss v. 14.2.20017, 4 StR 422/15). Bei Über­schrei­tung dieses Grenz­wertes ist gemäß § 24a Abs. 2 StVG regel­mäßig mit einem Bußgeld von min­des­tens 500 EUR, einem Fahr­verbot und Punkten in Flens­burg zu rechnen.

Neuer Grenz­wert: 3,5 Nano­gramm THC

Im Auftrag der Ampel-Regie­rung hatte sich eine Exper­ten­kom­mis­sion, bestehend aus Wis­sen­schaft­lern ver­schie­dener Fach­rich­tungen, mit der Wirkung von THC auf die Fahr­tüch­tig­keit befasst. Die Kom­mis­sion sieht Gründe für die Annahme der Her­ab­set­zung der Fahr­tüch­tig­keit und ins­be­son­dere des Reak­ti­ons­ver­mö­gens abwei­chend von der bis­he­rigen Recht­spre­chungs­praxis erst ab einer Kon­zen­tra­tion von 3,5 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum als gegeben an.

Regierung beschließt Anpassung des StVG

Auf den von der Kommission empfohlenen THC-Wert von 3,5 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum hat sich die Ampel nun geeinigt. Gemäß neuem § 24a Abs. 1a StVG-E soll das vorsätzliche oder fahrlässige Führen eines Kfz im Straßenverkehr unter Überschreitung eines THC-Wertes von 3,5 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum künftig als Ordnungswidrigkeit gewertet werden, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro und gemäß § 25 StVG mit einem Fahrverbot geahndet werden kann.

Niedrigerer Grenzwert für Fahranfänger

Ergänzend gilt für Fahranfänger und junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres neben dem bestehenden Alkoholverbot gemäß § 24c StVG-E ein Verbot von Cannabiskonsum, bei dem der bisher in der Rechtsprechung gültige Grenzwert von 1,0 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum überschritten wird.

Kein Mischkonsum von Alkohol und Cannabis

Wegen der möglichen Wechselwirkungen mit Alkohol sieht der von der Koalition vorgelegte Gesetzentwurf ein striktes Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten vor, die im Straßenverkehr ein Kfz führen, § 24a Abs. 2a StVG-E.

Bun­destag berät neuen Grenzwert am 16.5.2024 in 1. Lesung

Für eine ent­spre­chende Anpas­sung des StVG ist ein Beschluss des Bun­des­tags erfor­der­lich. Die 1. Lesung des Gesetzentwurfes steht für den 16.5.2024 auf dem Plan des Bundestags.

Kritik am neuen Grenzwert aus unterschiedlichen Lagern

Sowohl aus der Politik als auch von ver­schie­denen Fach­ver­bänden ist Kritik an dem neuen Grenzwert zu hören. Ein Grenz­wert von 3,5 Nano­gramm pro Mil­li­liter Blut­serum wird von einigen als deut­lich zu hoch, von anderen als zu niedrig emp­funden. Zum Ver­gleich: In Kanada gilt ein Grenz­wert von 10 Nano­gramm THC pro Mil­li­liter Blut­serum. Nach der Bewertung maßgeblicher Sachverständiger soll der Grenzwert von 3,5 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum hinsichtlich der Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit einem Blutalkoholgehalt von 0,2 Promille vergleichbar sein.

Mess­ver­fahren für THC-Wert noch nicht geklärt

Noch nicht endgültig geklärt sind die Fragen hin­sicht­lich der Mess­ver­fahren zur Bestim­mung des THC-Gehaltes im Blut. Kon­tro­vers bewertet wird ins­be­son­dere die Zuver­läs­sig­keit und Genau­ig­keit der für eine Messung infrage kom­menden Analyse der Mund­höh­len­flüs­sig­keit. Ein Problem hierbei ist u. a., dass chro­ni­sche Can­na­bis­kon­su­menten dau­er­haft einen gewissen THC-Pegel im Blut auf­weisen, auch wenn sie einige Zeit nicht kon­su­miert haben und eine Beein­träch­ti­gung der Fahr­tüch­tig­keit nicht mehr besteht. Der Einsatz von Speicheltests dürfte in der Praxis dennoch das Mittel der Wahl sein.

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Strafrecht, Bußgeld