Cannabis und Straßenverkehr

Flankierend zur seit Anfang April geltenden Teillegalisierung von Cannabis gilt seit dem 22.8.2024 für Autofahrer ein von bisher 1,0 auf 3,5 Nanogrammpro Milliliter Blutserum erhöhter THC-Grenzwert. Bei Überschreitung des neuen Grenzwertes drohen drastische Strafen.

Seit dem 1. April ist in Deutsch­land der Can­na­bis­konsum für Voll­jäh­rige legal. Der Besitz bis zu 25 g getrock­netem Can­nabis im öffent­li­chen Raum und bis zu 50 g in den eigenen vier Wänden sind gem. § 3 CanG straf­frei. Für Min­der­jäh­rige bleiben der Besitz und der Konsum von Can­nabis nach wie vor ver­boten, § 2 CanG. Für junge Erwach­sene bestehen Beschrän­kungen bei den Abga­be­mengen und bei dem erlaubten THC-Gehalt. Nicht gewinn­ori­en­tierte Ver­ei­ni­gungen dürfen unter defi­nierten Rah­men­be­din­gungen künftig gemein­schaft­lich Can­nabis zu Genuss­zwe­cken anbauen und an ihre Mit­glieder zum Eigen­konsum abgeben, §§ 11 ff CanG. Bisher nicht geklärt war die Frage der verkehrsrechtlichen Auswirkungen der begrenzten Freigabe des Cannabiskonsums. Dies soll sich mit dem neu ins StVG aufgenommenen THC-Grenzwert nun ändern.

THC-Gehalt beein­flusst die Fahr­tüch­tig­keit

Maßgebliches Kriterium für die Auswirkungen des Konsums von Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit ist der in der Droge enthaltene Gehalt des Wirkstoffes Tetra­hy­dro­can­na­binol (THC-Gehalt). Der daraus folgende THC-Gehalt im Blut des Cannabiskonsumenten ist ein ent­schei­dender Faktor für die Beein­flus­sung der Fahr­tüch­tig­keit im Stra­ßen­ver­kehr.

Bisher galt ein THC-Grenz­wert von 1,0 Nano­gramm THC

Wer unter Ein­fluss von Can­nabis im Stra­ßen­ver­kehr ein Fahr­zeug führt, ris­kiert grund­sätz­lich ein Fahr­verbot oder in schweren Fällen den Entzug der Fahr­erlaubnis. Bisher exis­tierte für den tole­rier­baren THC-Gehalt im Blut – anders als die 0,5 Pro­mille-Grenze bei Alkohol – kein gesetz­li­cher Grenz­wert. In der bis­he­rigen Recht­spre­chungs­praxis hatte sich auf­grund diverser gut­ach­ter­liche Stel­lung­nahmen ein maximal tole­rier­barer Wert von 1,0 Nano­gramm THC pro Mil­li­liter Blut­serum eta­bliert (BGH, Beschluss v. 14.2.20017, 4 StR 422/15). Bei Über­schrei­tung dieses Grenz­wertes war gem. § 24a Abs. 2 StVG regel­mäßig mit einem Bußgeld von min­des­tens 500 EUR, einem Fahr­verbot und Punkten in Flens­burg zu rechnen.

Neuer Grenz­wert3,5 Nano­gramm THC ab sofort in Kraft

Im Auftrag der Ampel-Regie­rung hatte sich eine Exper­ten­kom­mis­sion, bestehend aus Wis­sen­schaft­lern ver­schie­dener Fach­rich­tungen, mit der Wirkung von THC auf die Fahr­tüch­tig­keit befasst. Die Kom­mis­sion sieht Gründe für die Annahme der Her­ab­set­zung der Fahr­tüch­tig­keit und ins­be­son­dere des Reak­ti­ons­ver­mö­gens abwei­chend von der bis­he­rigen Recht­spre­chungs­praxis erst ab einer Kon­zen­tra­tion von 3,5 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum als gegeben an. Dieser neue Grenzwert ist zum 22.8.2022 gesetzlich in Kraft getreten.

Neuer Grenzwert ins StVG aufgenommen

Gemäß neuem § 24a Abs. 1a StVG wird das vorsätzliche oder fahrlässige Führen eines Kfz im Straßenverkehr unter Überschreitung eines THC-Wertes von 3,5 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum als Ordnungswidrigkeit gewertet, die gem. § 24a Abs. 3 StVG mit einer Regelgeldbuße von 500 EUR und gem. § 25 StVG mit einem Fahrverbot geahndet wird. In schweren Fällen kann die Geldbuße gem. § 24a Abs. 3 StVG bis zu 3.000 EUR betragen.

Niedrigerer Grenzwert für Fahranfänger

Ergänzend gilt für Fahranfänger und junge Fahrer in der 2-jährigen Führerschein-Probezeit und vor Vollendung des 21. Lebensjahres neben dem bereits bestehenden Alkoholverbot gem. § 24c StVG-E ein Verbot von Cannabiskonsum, bei dem der bisher nach der Rechtsprechung gültige Grenzwert von 1,0 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum überschritten wird. Verstöße werden mit einem Bußgeld in Höhe von 250 EUR geahndet.

Kein Mischkonsum von Alkohol und Cannabis

Wegen der möglichen Wechselwirkungen mit Alkohol sieht das Gesetz ein striktes Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten vor, die im Straßenverkehr ein Kfz führen, § 24a Abs. 2a StVG. Verstöße ziehen hier ein Regelbußgeld in Höhe von 1.000 EUR nach sich, das gem. § 24a Abs. 3 StVG je nach Fallgestaltung auf bis zu 5.000 EUR erhöht werden kann.

Ausnahme bei ärztlich verordneter Einnahme

Wichtige Ausnahme: Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Gesetzes sind diejenigen Personen, die Cannabis oder eine sonstige in der Anlage zu § 24a StVG genannte Substanz als ärztlich verordnetes Arzneimittel zur Behandlung eines konkreten Krankheitsfalls bestimmungsgemäß eingenommen haben.

Kritik am neuen Grenzwert aus unterschiedlichen Lagern

Sowohl aus der Politik als auch von ver­schie­denen Fach­ver­bänden ist Kritik an dem neuen Grenzwert zu hören. Ein Grenz­wert von 3,5 Nano­gramm pro Mil­li­liter Blut­serum wird von einigen als deut­lich zu hoch, von anderen als zu niedrig emp­funden. Zum Ver­gleich: In Kanada gilt ein Grenz­wert von 10 Nano­gramm THC pro Mil­li­liter Blut­serum. Nach der Bewertung maßgeblicher Sachverständiger soll der Grenzwert von 3,5 Nano­gramm THC je Mil­li­liter Blut­serum hinsichtlich der Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit einem Blutalkoholgehalt von 0,2 Promille vergleichbar sein.

Mess­ver­fahren für THC-Wert noch nicht geklärt

Noch nicht endgültig geklärt sind mögliche Probleme bei den Mess­ver­fahren zur Bestim­mung des THC-Gehaltes im Blut. Kon­tro­vers bewertet wird ins­be­son­dere die Zuver­läs­sig­keit und Genau­ig­keit der für eine Messung infrage kom­menden Analyse der Mund­höh­len­flüs­sig­keit. Ein Problem hierbei ist u. a., dass chro­ni­sche Can­na­bis­kon­su­menten dau­er­haft einen gewissen THC-Pegel im Blut auf­weisen, auch wenn sie einige Zeit nicht kon­su­miert haben und eine Beein­träch­ti­gung der Fahr­tüch­tig­keit nicht mehr besteht. Der Einsatz von Speicheltests dürfte in der Praxis dennoch das Mittel der Wahl sein. In Zweifelsfällen ist zusätzlich eine Blutprobe erforderlich.


Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Strafrecht, Bußgeld