Leitsatz (amtlich)
Im Ablehnungsverfahren gegen einen Sachverständigen findet § 43 ZPO entsprechende Anwendung. Lässt sich eine Partei nach Anhörung des Sachverständigen rügelos zur Sache ein, verliert sie daher ihr Ablehnungsrecht, soweit sie nicht Gründe geltend macht, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten erfordern.
Normenkette
ZPO §§ 43, 406 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 05.04.2016; Aktenzeichen 11 O 544/15) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Würzburg vom 05.04.2016, Az. 11 O 544/15, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 38.722,50 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert vom Beklagten Schadensersatz nach einer ärztlichen Behandlung.
Der Kläger erlitt am 03.05.2013 einen Arbeitsunfall mit Verletzungen an der Wirbelsäule. Er wirft dem Beklagten vor, bei der Untersuchung eine Fraktur an der Lendenwirbelsäule fehlerhaft übersehen zu haben.
Das LG beauftragte den Sachverständigen Dr. me d.A. mit der Erstattung eines Gutachtens. Nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens vom 30.11.2015 wurde der Sachverständige am 15.03.2016 angehört. Im Anschluss an die Anhörung verhandelten die Parteien zur Sache. Ihnen wurde nachgelassen, bis spätestens 05.04.2016 zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 24.03.2016, eingegangen am selben Tag, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er ist der Ansicht, die These des Sachverständigen, eine Indikation zur Operation habe auch am 03.05.2013 nicht vorgelegen, verstoße gegen Denkgesetze. Der Sachverständige habe sich im Termin in Widerspruch zu seinen schriftlichen Ausführungen gesetzt. Er habe mit seinen Ausführungen zur Frage der Erwerbsunfähigkeit seine Kompetenz überschritten. Fehlerhaft sei auch die Behauptung, man habe im Zentrum für operative Medizin (künftig: ZOM) in Würzburg ebenfalls keine Indikation zur Operation gesehen.
Das LG Würzburg hat mit Beschluss vom 05.04.2016 das Ablehnungsgesuch des Klägers als unzulässig zurückgewiesen. Der Kläger habe in Kenntnis der Ablehnungsgründe einen Sachantrag gestellt, was gemäß § 43 ZPO zur Unzulässigkeit des nachfolgenden Gesuchs führe. Im Übrigen sei das Gesuch auch unbegründet.
Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des Klägers vom 12.04.2016 hat das LG nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, auch gegen den das Gesuch als unzulässig zurückweisenden Beschluss (T/P-Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 406, Rn. 11). Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Zwar ist entgegen der Auffassung des LG Würzburg das Ablehnungsgesuch nicht unzulässig. Es ist jedoch unbegründet.
1. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist zulässig. Es wurde insbesondere rechtzeitig erhoben, § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO.
a) Gemäß § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag spätestens binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen. Eine spätere Ablehnung ist gemäß § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO nur dann zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Nach einhelliger Auffassung ist in diesem Fall der Antrag entsprechend § 121 BGB unverzüglich nach Kenntnis von dem Ablehnungsgrund zu stellen (BGH, Beschluss vom 15.03.2005, VI ZB 74/04, Rn. 7 - juris = NJW 2005, 1869; BayObLG MDR 1995, 412, 413; Senat, Beschluss vom 12.08.2008, 4 W 38/08, Rn. 5 = VersR 2009, 1427, 1428; Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 406, Rn. 11; T/P - Reichold, ZPO, § 406, Rn. 7; Stein/Jonas - Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 406, Rn. 49; Wieczorek/Schütze - Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 406, Rn. 39). Der Ablehnungsantrag ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalles angepassten Überlegungsfrist anzubringen (BGH a.a.O.).
Nach mittlerweile gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob ein fristgerechtes Gesuch vorliegt, auch der Rechtsgedanke des § 43 ZPO zu berücksichtigen. Hieraus wird abgeleitet, dass eine Partei ihr Recht zur Ablehnung des Sachverständigen verliert, wenn sie nach Abschluss der Anhörung des Sachverständigen Sachanträge stellt, ohne die ihr zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Ablehnungsgründe geltend zu machen (OLG Karlsruhe NJW 1958, 188; OLG Düsseldorf, MDR 1994, 620; OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.09.2012, 3 W 44/12, Rn. 1; OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2008, 5 W 58/08, Rn. 3; im Ergebnis ebenso OLG Naumburg, NJOZ 2011, 1192, 1193). Diese Auffassung hat in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden (Wieczorek/Schütze - Ahrens, a.a.O., Rn. 38; BeckOK ZPO/Scheuch, § 406, Rn. 29; Zöller - Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 43, Rn. 2; a.A. MüKo - Zimmermann, ZPO, 4. Aufl., § 406, Rn. 7), wobei zum Teil eine entsprechende Anwendung von § 43 ZPO nicht für erforderlich erachtet wird, um zu einem Verlust de...