Leitsatz (amtlich)

Widersprechen sich Urteilstenor und Sachverhaltsfeststellungen einerseits sowie rechtliche Würdigung andererseits derart, dass nicht zweifelsfrei festzustellen ist, ob die dem Betroffenen zur Last liegende Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften begangen wurde, leidet das Urteil an einem zu seiner Aufhebung zwingenden sachlich-rechtlichen Mangel (§ 267 StPO), wenn sich nicht feststellen lässt, dass die rechtliche Würdigung auf ein bloßes Schreibversehen zurückzuführen ist.

 

Tatbestand

Das AG verurteilte den Betr. ausweislich des Urteilstenors wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit "innerhalb" geschlossener Ortschaften um 25 km/h zu einer Geldbuße von 80,-- Euro und verhängte gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot. Nach den Feststellungen des AG befuhr der Betr. mit einem PKW in F. die BAB A 94 in Richtung P. mit einer Geschwindigkeit von mindestens 85 km/h, wobei er die an der Messstelle durch Zeichen 274 auf 60 km/h beschränkte zulässige Höchstgeschwindigkeit aus Unachtsamkeit missachtete. Im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung führte das AG demgegenüber aus, dass der Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit "außerhalb" geschlossener Ortschaften schuldig zu sprechen sei.

Die gegen das Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde erwies sich mit der Sachrüge als begründet.

 

Entscheidungsgründe

Das Urteil hält in zweifacher Hinsicht sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand:

1.

Nach dem Urteilstenor und nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Betr. die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung 'innerhalb' geschlossener Ortschaften begangen, nach der rechtlichen Würdigung jedoch 'außerhalb' geschlossener Ortschaften. Ein derartiger Widerspruch zwischen Urteilstenor und Urteilsgründen im Rahmen der rechtlichen Würdigung einerseits wie innerhalb der Urteilsgründe zwischen Sachverhalt und rechtlicher Würdigung andererseits ist ein hier zur Urteilsaufhebung führender materiell-rechtlicher Mangel, weil sich nicht zur Gewissheit des Senats feststellen lässt, dass die rechtliche Würdigung, soweit sie auf einen Geschwindigkeitsverstoß außerhalb geschlossener Ortschaften abstellt, auf einem Schreibversehen beruht und es sich somit nur um einen scheinbaren Widerspruch handelt (wie hier schon BayObLG Beschluss vom 23.08.1994 - 3St RR 74/94 - bei JURIS). Zwar spricht für ein bloßes Schreibversehen im Rahmen der rechtlichen Würdigung die Übereinstimmung des Tenors mit der Sachverhaltsfeststellung, jedoch stellt das AG gleichzeitig fest, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Bundesautobahn stattfand. Wenn auch der GenStA zuzugestehen ist, dass Autobahnen teilweise innerhalb geschlossener Ortschaften verlaufen, erscheint dies bei einer gerichtsbekannt landkreiszugehörigen, nicht allzu großen Gemeinde zweifelhaft. Zumindest ist der Verlauf von Bundesautobahnen innerhalb geschlossener Ortschaften nicht der Regelfall. Nähere Feststellungen oder beweiswürdigende Ausführungen hierzu, welche die Feststellung eines nur scheinbaren Widerspruchs erlauben könnten, sind in dem angefochtenen Urteil nicht getroffen. Dieser Mangel wirkt sich zudem auf das Bußgelderkenntnis aus, weil die Tabelle 2c des Anhangs zu Nr. 11 BKat der Anlage zu § 1 I BKatV in Nr. 11.3.4 den Regelsatz der Geldbuße danach differenziert, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften begangen worden ist. Da das AG bei der Bemessung der Geldbuße zwar vom Regelsatz ausgegangen ist, diesen jedoch betragsmäßig nicht näher bezeichnet, aber erhöht hat, lassen sich auch hieraus keine Rückschlüsse auf eine Tatbegehung inner- oder außerorts ziehen.

2.

Weiterhin tragen die Urteilsfeststellungen die seitens des AG angenommene beharrliche Verletzung der Pflichten als Kraftfahrzeugführer im Sinne von § 25 I StVG nicht. Wie im Urteil - wenngleich ohne die grundsätzlich erforderliche Angabe der Tatzeiten - ausgeführt, weist das VZR für den Betr. zwar zwei seit Mai 2003 bzw. Mai 2004 rechtskräftige Vorahndungen wegen Geschwindigkeitsverstößen jeweils um 24 km/h sowie eine seit Anfang April 2005 rechtskräftige Vorahndung wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons auf. Dies allein rechtfertigt - wie die GenStA zutreffend ausführt - die Annahme einer nunmehr beharrlich begangenen Pflichtverletzung nicht (wird ausgeführt).

3.

Das angefochtene Urteil war daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG) und zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückzuverweisen (§ 79 VI OWiG). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat bereits deswegen verwehrt, weil er - wie ausgeführt - nicht feststellen kann, welchen Sachverhalt das AG der Verurteilung zugrunde gelegen hat. Eine Korrektur der Urteilsformel (vgl. BayObLGSt 1999, 88/89; BayObLG DAR 2000, 366/367) kommt daher nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Inde...

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