Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Bußgeldbescheid. Geldbuße. Bußgeld. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Einspruch. Einspruchseinlegung. Einspruchsbeschränkung. Rücknahme. Teilrücknahme. Einspruchsrücknahme. Rechtsfolgen. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Hauptverhandlung. Verteidiger. Wahlverteidiger. Vollmacht. Untervollmacht. Vollmachtsurkunde. Terminsvollmacht. Hauptbevollmächtigter. Unterbevollmächtigter. Ermächtigung. Anfechtungsumfang. Beschränkungsumfang. Abstand. Mindestabstand. Abstandsverstoß. Feststellungen. Rechtskraft. Teilrechtskraft. Nachweis. Ermittlungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 67 Abs. 2 OWiG) von Amts wegen zu prüfen (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 30.11.1976 - 1 StR 319/76 = BGHSt 27, 70 = NJW 1977, 442 = JZ 1977, 142 = MDR 1977, 326 = DAR 1977, 136 = JR 1978, 70; BayObLG, Beschl. vom 02.02.2001 - 5St RR 20/01 = VRS 100 [2001], 354 = NZV 2001, 353 = BA 38, 290; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.10.2017 - 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr 7 = ZfS 2018, 114; 09.10.2017 - 3 OLG 6 Ss 94/17; Urt. v. 14.03.2017 - 3 OLG 6 Ss 22/17 [jeweils bei juris]).

2. Die nachträglich erklärte Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar, zu dessen Wirksamkeit der Verteidiger nach § 67 Abs. 1 Satz 3 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung des Betroffenen bedarf (Anschluss an KG, Beschl. v. 19.02.1999 - 2 Ss 419/98 - 5 Ws (B) 717/98 [bei juris]; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.10.2010 - 2 Ss 618/10 = Justiz 2011, 104 = OLGSt StPO § 302 Nr. 10 und [für den Einspruch gegen den Strafbefehl] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.06.2010 -1 RVs 71/10 = NStZ 2010, 655).

 

Normenkette

StVG § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a S. 1; StVO § 4 Abs. 1 S. 1; StPO § 302 Abs. 2, § 344 Abs. 1; OWiG § 67 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 11.12.2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat mit Bußgeldbescheid vom 13.02.2017 den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstandes (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO; Tatzeit: 22.11.2016) zu einer Geldbuße von 160 € verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verhängt. Nach Einspruchseinlegung hat der vom damaligen Verteidiger mit einer "Terminsvollmacht" beauftragte Unterbevollmächtigte in der Hauptverhandlung vom 03.08.2017, die in Abwesenheit des Betroffenen stattfand, ohne weitere zusätzliche Erklärung zur Ermächtigung durch den Betroffenen den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Nachdem der Unterbevollmächtigte eine Rücknahme des Einspruchs bis spätestens 04.10.2017 "zugesichert" hatte, setzte das Amtsgericht die Hauptverhandlung aus. Entgegen der "Zusicherung" des Unterbevollmächtigten wurde der Einspruch in der Folgezeit nicht zurückgenommen. Aufgrund dessen verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen am 11.12.2017 zu einer Geldbuße von 320 € und verhängte außerdem ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG. Da das Amtsgericht von der Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs ausging, hat es keine Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet, weil das Amtsgericht die vom Unterbevollmächtigten erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch zu Unrecht für wirksam gehalten und deshalb keine Feststellungen zum Schuldspruch getroffen hat.

1. Auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen, ob der Tatrichter zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen ist (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 30.11.1976 - 1 StR 319/76 = BGHSt 27, 70 = NJW 1977, 442 = JZ 1977, 142 = MDR 1977, 326 = DAR 1977, 136 = JR 1978, 70; BayObLG, Beschl. vom 02.02.2001 - 5St RR 20/01 = VRS 100 [2001], 354 = NZV 2001, 353 = BA 38, 290; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.10.2017 - 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr. 7 = ZfS 2018, 114; 09.10.2017 - 3 OLG 6 Ss 94/17; Urt. vom 14.03.2017 - 3 OLG 6 Ss 22/17 [jeweils bei juris]; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 318 Rn. 33, § 327 Rn. 9, § 352 Rn. 4). Dies ist schon deshalb geboten, weil es einerseits um die Frage der Teilrechtskraft und damit auch den Prüfungsgegenstand des Rechtsbeschwerdegerichts geht und andererseits von der Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung der Umfang der erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen abhängt.

2. Die vom unterbevollmächtigten Vertei...

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