Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Abstandsverstoß. Bußgeldbescheid. Einspruchsbeschränkung. Teilrücknahme. Teil-Verzicht. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Hauptverhandlung. Verteidiger. Vollmacht. Untervollmacht. Vollmachtsurkunde. Nachweis. Ermächtigung. Anfechtungsumfang. Rechtskraft. Teilrechtskraft. Freibeweis. Zum Sachverhalt. Urteilsaufhebung. Aufhebung. Fahrverbot. Verletzung. materielles Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Begrifflich handelt es sich auch dann um eine Einspruchsbeschränkung i.S.v. § 67 II OWiG, wenn der zunächst unbeschränkte Einspruch erst später, etwa im Wege eines Verteidigerschriftsatzes vor der Hauptverhandlung oder aber in dieser teilweise zurückgenommen und damit nachträglich auf bestimmte Punkte, namentlich den Rechtsfolgenausspruch, beschränkt wird (u.a. Anschl. an OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 - 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588 und 30.10.2017 - 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr. 7 = ZfS 2018, 114; KG, Beschl. v. 9.10.2015 - 162 Ss 77/15 = VRS 129 [2015] Nr 28).
2. Wie für einen Teil-Verzicht auf den Einspruch bedarf der erklärende Verteidiger auch für die Teilrücknahme des Einspruchs vor oder in der Hauptverhandlung nach §§ 67 I 2 OWiG i.V.m. 302 II StPO einer bereits bei Abgabe der Rechtsmittelerklärung vorliegenden besonderen ausdrücklichen Ermächtigung des Einspruchsberechtigten, die sich inhaltlich auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen muss (u.a. Anschl. an OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 - 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.02.2010 - 1 Ss 5/10 = StraFo 2010, 252 und KG, Beschl. v. 19.2.1999 - 2 Ss 419/98 [bei juris]).
Normenkette
StPO § 302 Abs. 2; OWiG § 67 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 79 Abs. 3 S. 1; BKatV § 4 Abs. 1 Nr. 2; StVG § 25 Abs. 1 S. 1, § 26a Abs. 1 Nr. 3; StVO § 4 Abs. 1 S. 1; BKat Tabelle 2 lfd. Nr. 12.7.3; StVO § 49 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Mit Bußgeldbescheid vom 12.06.2017 setzte die Vw-Behörde gegen den Betr. wegen einer am 12.04.2017 als Führer eines Pkw begangenen Nichteinhaltung des Mindestabstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug (§§ 4 I 1, 49 I Nr. 4 StVO) eine Geldbuße von 240 Euro fest und ordnete gegen ihn wegen eines groben Pflichtenverstoßes i.S.d. §§ 25 I 1 1. Alt., 26a I Nr. 3, II StVG i.V.m. § 4 I 1 Nr. 2 BKatV i.V.m. lfd.Nr. 12.7.3 Tab. 2 BKat ein einmonatiges Fahrverbot an. Nach Einspruchseinlegung durch die seinerzeit bevollmächtige Verteidigerin des Betr. beschränkte die von dieser mit einer schriftlichen Untervollmacht ausgestattete unterbevollmächtigte Verteidigerin in der in erlaubter Abwesenheit des Betr. (§ 73 II OWiG) durchgeführten Hauptverhandlung vom 27.11.2017 ohne weitere Erklärungen zu ihrer Ermächtigung den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch, verbunden mit der Erklärung, dass der Einspruch bis spätestens 31.03.2018 zurückgenommen werde. Entgegen dieser Ankündigung wurde der Einspruch nicht zurückgenommen. Mit dem angefochtenen Urteil vom 20.08.2018 setzte das AG gegen den wiederum von der Erscheinenspflicht entbundenen und in der Hauptverhandlung auch nicht von einem Verteidiger vertretenen Betr. entsprechend dem Bußgeldbescheid eine Geldbuße von 240 Euro fest und ordnete gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats an, wobei es von der Wirksamkeit der am 27.11.2017 erklärten Einspruchsbeschränkung ausgegangen ist. Mit seiner durch seinen neuen Verteidiger eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache.
Entscheidungsgründe
I.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere mit an diesem Tage übermitteltem Verteidigerschriftsatz vom 15.10.2018 innerhalb der erst mit Ablauf des 25.10.2018 endenden Monatsfrist der §§ 79 III OWiG i.V.m. 345 I 1 StPO begründet worden (zur Fristberechnung vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 10.05.2007 - 3 Ss OWi 1532/06 = OLGSt StPO § 345 Nr. 12 = VerkMitt 2008, Nr 6 m.w.N.).
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet, weil das AG den Umfang seiner Prüfungs- und Feststellungspflicht verkannt hat, indem es bei seiner Urteilsfindung - was das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30.11.1976 - 1 StR 319/76 = BGHSt 27, 70 = NJW 1977, 442 = DAR 1977, 136; BayObLG, Beschl. vom 02.02.2001 - 5St RR 20/01 = VRS 100 [2001], 354 = NZV 2001, 353 = BA 38, 290; OLG Bamberg, Beschluss vom 03.04.2018 - 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588 und 30.10.2017 - 3 Ss OWi 1206/17 = VerkMitt 2018, Nr 7 = ZfS 2018, 114; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 318 Rn. 33, § 327 Rn. 9, § 352 Rn. 4) - zu Unrecht von einer wirksamen Einspruchsbeschränkung nach § 67 II OWiG auf den Rechtsfolgenausspruch des Bußgeldbescheids ausgegangen ist. Das AG hat deshalb rechtsfehlerhaft nicht über alle im Rechtssinne angefochtenen Bestandteile des Bußgeldbescheids, insbes...