Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteil. Urteilsgründe. Rechtsbeschwerde. Urteilsaufhebung. Zurückverweisung. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. THC. Drogen. Drogenfahrt. Hauptverhandlung. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Übermaßverbot. Existenz. Existenzverlust. existenziell. Härte. Härtefall. Beweiswürdigung. Tatsachengrundlage. Schlussfolgerung. Vermutung. Gesamtschau. Prognose. Angemessenheit. Arbeitsplatz. Arbeitsplatzverlust. Kündigung. Arbeitgeber. Arbeitnehmer. Arbeitsmarkt. Arbeitsmarktlage. Berufskraftfahrer. Getränkeausfahrer. Unrechtsgehalt. Gefährlichkeit. Doppelverwertung. Doppelverwertungsverbot. Bußgeldbescheid. Einspruch. Einspruchsbeschränkung. Verteidiger. Vollmacht. Vollmachtserteilung. Ermächtigung. Terminsvollmacht. Terminsvertreter. Terminsbevollmächtigter. Rücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

Die eine Fahrverbotsprivilegierung wegen eines substantiiert vorgebrachten und als wahr unterstellten Arbeitsplatzverlustes durch Kündigung versagende Wertung, ein Härtefall scheide schon deshalb aus, weil der Betroffene bei der gegebenen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungslage "unproblematisch eine vergleichbare Tätigkeit finden" werde, bedarf einer durch tatrichterliche Feststellungen belegten, die Besonderheiten des Einzelfalls in den Blick nehmenden Tatsachengrundlage.

 

Normenkette

StGB § 46 Abs. 3; StVG § 24a Abs. 2-3, § 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2a; StPO §§ 261, 302 Abs. 2; OWiG § 67 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BKatV § 4 Abs. 3

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 16. April 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat mit Bußgeldbescheid vom 23.05.2016 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von THC (§ 24a Abs. 2, 3 StVG; Tatzeit: 05.01.2016) eine Geldbuße von 500 € festgesetzt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG verhängt. Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 05.12.2016 den Einspruch des Betroffenen gegen den vorgenannten Bußgeldbescheid verworfen. Mit Beschluss vom 03.07.2017 hat der Senat auf die Rechtsbeschwerden des Betroffenen und der Staatsanwaltschaft das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Der von der mit schriftlicher Vollmacht vom 30.11.2017 ausgestatteten Verteidigerin beauftragte Terminsbevollmächtigte hat in der - später ausgesetzten - Hauptverhandlung vom 04.12.2017, die in Abwesenheit des Betroffenen stattfand, ohne Hinweis auf eine ihm erteilte Ermächtigung den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Nach einer weiteren Hauptverhandlung hat das Amtsgericht den Betroffenen am 16.04.2018 unter "Bezugnahme auf den im Übrigen rechtskräftigen Bußgeldbescheid" zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt und außerdem ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG verhängt. Hierbei hat es zu Gunsten des Betroffenen unterstellt, dass dieser im Falle der Verhängung eines Fahrverbots infolge Kündigung seine Tätigkeit als Getränkeausfahrer verlieren werde, hierin aber keine besondere Härte gesehen, da er "bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage in M. unproblematisch eine vergleichbare Tätigkeit finden" werde. Außerdem sei das Verhalten des Betroffenen "durchaus sehr riskant" und "grob fahrlässig" gewesen. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und infolge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffende Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht trotz des von ihm unterstellten Verlustes des Arbeitsplatzes des Betroffenen das Nichtabsehen von der Verhängung des Fahrverbots begründet hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Amtsgericht ist zunächst zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs durch den Terminsbevollmächtigten in der Hauptverhandlung vom 04.12.2017 nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen mit der Folge, dass der Bußgeldbescheid im Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist. Für die nachträgliche Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs, in der eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO zu sehen ist (vgl. zuletzt OLG Bamberg Beschl. v. 03.04.2018 - 3 Ss OWi 330/18 [bei juris] m.w.N.), lag eine ausdrücklicher Ermächtigung des Betroffenen vor.

a) Der Betroffene hatte seiner Verteidigerin zuletzt am 30.11.2017 eine schriftliche Vollmacht ausgestellt, die auch die Ermächtigung zur Rücknahme eines Rechtsmittels beinhaltete. Im Hinblick darauf, dass diese Vollmachtserteilung im Rahmen des laufenden gerichtlichen Verfahrens über den Einspruch des Betroffene...

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