Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindsanhörung, Beteiligungsrechte der Kindseltern
Leitsatz (amtlich)
1. Es liegt im Ermessen des Familiengerichts, ob die in einer Kindschaftssache nach § 159 FamFG notwendige Anhörung einmal oder mehrmals durchgeführt wird.
2. Die am Verfahren beteiligten Eltern haben keinen Anspruch auf eine Video- oder Audioaufzeichnung der vom Familiengericht nach § 159 FamFG durchzuführenden Kindesanhörung.
3. Dem Anspruch der Eltern auf rechtliches Gehör wird mit der nachträglichen Information über den nach § 28 Abs. 4 FamFG dokumentierten Inhalt der Anhörung der Kinder in ausreichender Weise Rechnung getragen.
Normenkette
FamFG § 28 Abs. 4, § 159
Verfahrensgang
AG Coburg (Aktenzeichen 002 F 721/18) |
Tenor
1. Es verbleibt beim Termin zur (erneuten) Anhörung der Kinder in Abwesenheit ihrer Eltern am 04.08.2020.
2. Der Antrag der Antragstellerin, die Kindesanhörung audiovisuell oder mit einem Tonträger aufzunehmen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Verfügung vom 20.07.2020 bestimmte der Vorsitzende im vorliegenden Verfahren wegen Umgangs Termin zur Anhörung der beteiligten Kinder C und D.
Mit Schriftsatz vom 31.07.2020 erklärt die Antragstellerin, sie könne nicht nachvollziehen, warum die Kinder durch den Senat erneut angehört werden. Zudem beantragt sie, die Anhörung entweder audiovisuell oder mit einem Tonträger aufzunehmen, um einen transparenten und nachvollziehbaren sowie für jeden Verfahrensbeteiligten dokumentationsfähigen Beweis sicherzustellen.
II. Ob ein Kind in einem Verfahren einmalig oder mehrmals angehört wird, liegt im richterlichen Ermessen (Keidel / Engelhardt, FamFG, 19. Auflage, 2017, § 159 Rn. 19).
Im Hinblick auf die lange Dauer des Beschwerdeverfahrens - Ursache hierfür war insbesondere die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens - und der Tatsache, dass die erste Anhörung inzwischen mehr als 1 Jahr zurückliegt, erachtet der Senat eine erneute Anhörung der Kinder für dringend geboten und geht dabei davon aus, dass die mit der erneuten Anhörung verbundenen Belastungen für C und D durch einen weitergehenden Erkenntnisgewinn aufgewogen werden.
III. Der Antrag auf Aufzeichnung der Anhörung war zurückzuweisen, weil ein entsprechender Anspruch der Antragstellerin nicht besteht und der Senat eine Aufzeichnung nicht für erforderlich erachtet.
1) Ablauf und Gestaltung der nach § 159 Abs. 1 und 2 FamFG vorgeschriebenen Anhörung sind gesetzlich geregelt:
Nach § 159 Abs. 4 FamFG soll das Kind über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. Ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Hat das Gericht dem Kind nach § 158 einen Verfahrensbeistand bestellt, soll die persönliche Anhörung in dessen Anwesenheit stattfinden. Im Übrigen steht die Gestaltung der persönlichen Anhörung im Ermessen des Gerichts.
Hinsichtlich der Dokumentation des Ergebnisses der Anhörung gilt § 28 Abs. 4 FamFG.
2) Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass das Gesetz eine Video- oder Audioaufzeichnung der Anhörung nicht vorsieht. Im Hinblick auf § 163 a FamFG dürfte sie zudem unzulässig sein (so auch OLG Koblenz FamRZ 2019, 362 mit Hinweis auf Schweppe / Bussian, ZKJ 2012, 13 ff). Da die Anhörung des Kindes keine Zeugenvernehmung darstellt, sondern der Beteiligung des Kindes am Verfahren dient, stellt die geforderte Aufzeichnung nämlich einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Kindes dar (Schweppe / Bussian, a.a.O.).
3) Auch aus Art. 6, 103 GG folgt kein Anspruch der Eltern dahingehend, die Kindesanhörung im Wege der Videoübertragung verfolgen bzw. später prüfen zu dürfen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2019, 1437) liefe eine den Eltern zugängliche Videoaufzeichnung, von der das Kind in Kenntnis zu setzen wäre, ersichtlich dem Schutzzweck des § 163a FamFG zuwider und wäre der mit der Kindesanhörung bezweckten Sachverhaltsaufklärung kaum dienlich. Unbefangene Äußerungen des Kindes ließen sich im Fall der Aufzeichnung nicht hinreichend sicher gewährleisten. Die Gefahr der Beeinflussung des Kindes bestehe nämlich nicht nur im Fall der unmittelbaren Anwesenheit der Eltern bei der Anhörung, sondern auch bei Kenntnis des Kindes darüber, dass die Angaben und das Verhalten in der Anhörung später von den Eltern mittels Videoübertragung überprüft werden kann. Daneben wäre mit dieser Kenntnis eine besondere psychische Belastung des Kindes verbunden.
4) Soweit die Antragstellerin ausführt, die Aufzeichnung sei notwendig, um einen nachvollziehbaren und transparenten Beweis sicherzustellen, ist auf § 28 Abs. 4 FamFG hinzuweisen. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht über Termine und persönliche Anhörungen einen Vermerk zu fertigen.
Dem Anhörungsvermerk kommt als öffentliche Urkunde volle Beweiskraft hinsichtlich der Richtigkeit der in ihm festgehaltenen Umstände und Vorgänge zu (Keidel/Sternal, FamFG, 19. ...