Leitsatz (amtlich)
1. Wird die rechtsfehlerhafte Entscheidung durch ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG beanstandet, kann im Rahmen der insoweit zu erhebenden Verfahrensrüge auf eine genaue und lückenlose Darstellung des Verfahrensgangs wenigstens im Vorfeld des den Einspruch verwerfenden Urteils grundsätzlich nicht verzichtet werden.
2. Wird im Antragsverfahren auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach einer Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG mit der gebotenen Verfahrensrüge der Zulassungsgrund des Verstoßes gegen rechtliches Gehör geltend gemacht, muss dem Rügevortrag jedenfalls dann, wenn das Entschuldigungsvorbringen nicht schlicht übergangen wurde, zu entnehmen sein, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene im Falle seiner Anhörung geäußert bzw. den Tatvorwurf bestritten hätte (Anschluss u.a. an OLG Rostock VRS 108, 374 ff. und OLG Hamm SVR 2009, 391 f.).
Tenor
I. Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 20.12.2010 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I. Die Zentrale Bußgeldstelle hat mit Bußgeldbescheid vom 23.07.2009 gegen den Betroffenen wegen einer am 30.04.2009 auf einer Autobahn als Führer eines Pkw begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h eine Geldbuße von 140 Euro festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht mit Urteil vom 20.12.2010 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene - ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden zu sein - in der Hauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen und dort auch nicht durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, deren Zulassung er beantragt. Mit der Verfahrensrüge beanstandet er insbesondere, dass das Amtsgericht den Einspruch zu Unrecht verworfen habe, weil der Betroffene entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sein Erscheinen wegen einer am Verhandlungstag aufgrund erheblicher Schmerzen notwendig werdenden Zahnoperation hinreichend entschuldigt habe.
II. Der zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Da gegen den Betroffenen lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 250 Euro festgesetzt worden ist, darf die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 OWiG nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor:
1. Die Zulassungsgründe zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bestehen offensichtlich nicht und werden von der Rechtsbeschwerde auch gar nicht geltend gemacht.
2. Soweit die Verfahrensrüge der unzulässigen Entscheidung gemäß § 74 Abs. 2 OWiG erhoben wird und hierin zugleich die (schlüssige) Geltendmachung des Zulassungsgrundes eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör erblickt werden könnte, entspricht der Rügevortrag des Betroffenen auch in der Zusammenschau mit den dem Senat aufgrund der (unausgeführten) Sachrüge zugänglichen Gründen des Verwerfungsurteils vom 20.12.2010 nicht den Mindestanforderungen an eine formgerechte Rügedarstellung.
a) Zwar kann dem knappen Vorbringen im Rahmen der Rechtfertigungsschrift vom 28.01.2011 im Zusammenhang mit der Einlegungsschrift vom 29.12.2010 und den Gründen des Verwerfungsurteils noch entnommen werden, dass sich der Betroffene auf einen Entschuldigungsgrund für sein Nichterscheinen beruft, wenn ausgeführt wird, dass er aufgrund der notwendigen zahnärztlichen Behandlung am Verhandlungstag reiseunfähig gewesen sei und ferner - wenn auch nur als "Hilfsargument" - witterungsbedingt eine Anreise "weder über die Straße (...) noch über die Bahn" möglich gewesen sei. Dies genügt jedoch für die ordnungsgemäße Ausführung der Verfahrensrüge der rechtsfehlerhaften Entscheidung durch ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht. Nachdem es sich ausweislich der Gründe des Verwerfungsurteils "um den neunten in dieser Sache angesetzten Hauptverhandlungstermin" handelte und "bereits sechs Terminsverlegungen aus in der Sphäre der Verteidigerin beziehungsweise des Betroffenen liegenden Gründen erfolgt waren", durfte gemäß § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO auf eine genaue und lückenlose Darstellung des Verfahrensgangs wenigstens im Vorfeld des den Einspruch verwerfenden Urteils nach § 74 Abs. 2 OWiG im Rahmen der Rechtsbeschwerderechtfertigung nicht verzichtet werden.
Schlechterdings unverzichtbar ist insbesondere die Mitteilung des genauen Inhalts wenigstens derjenigen Schriftsätze, Einlassungen oder sonstigen Stellungnahmen und E...