Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeldverfahren. Urteilsgründe. Bezugnahme. Lichtbild. Massenverfahren. Rechtsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Gründet die tatrichterliche Überzeugung von der Identität des Betroffenen zum Tatzeitpunkt auf einer Lichtbildidentifizierung ist von einer wirksamen Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG) auf ein bei den Akten befindliches Lichtbild regelmäßig schon dann auszugehen, wenn in den Urteilsgründen auf die genaue Aktenfundstelle des Lichtbilds hingewiesen wird (Anschluss an BGH, Urteil vom 28.01.2016 - 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 5; Fortführung von OLG Bamberg, Beschluss vom 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 [bei [...]]).

 

Normenkette

StVG § 24 Abs. 1; StVO § 41 Abs. 1, § 49 Abs. 3 Nr. 4; StPO § 267 Abs. 1 S. 3; OWiG § 71 Abs. 1

 

Tenor

  • I.

    Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 26. September 2016 wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer am 31.03.2016 auf einer Autobahn als Führer eines Pkw fahrlässig begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 58 km/h (§ 24 Abs. 1 StVG i. V. m. §§ 41 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteil und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG verhängt. Mit seiner hiergegen gerichteten unbeschränkten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und mit am 07.12.2016 per Telefax-Schreiben innerhalb der Monatsfrist begründete Rechtsbeschwerde erweist sich als unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

1. Soweit die Rechtsbeschwerde "höchst vorsorglich" Verfahrensrecht beanstandet, ist mangels Ausführung eine den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge nicht erhoben.

2. Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde und der die Aufhebung des Urteils beantragenden Generalstaatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen sowohl den Schuldspruch in objektiver und subjektiver Hinsicht als auch die daran anknüpfende Rechtsfolgenbemessung. Insbesondere erweisen sich die Urteilsfeststellungen auch hinsichtlich der Überzeugungsbildung des Tatrichters von der Fahrereigenschaft des Betroffenen zur Tatzeit nicht als lückenhaft im Sinne der §§ 71 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 1 StPO.

a) Gründet die Überzeugung des Tatrichters von der Identität des Betroffenen zum Tatzeitpunkt auf einer Lichtbildidentifizierung der Person des Betroffenen, muss auf ein "bei den Akten" (vgl. hierzu LR/Stuckenberg StPO 26. Aufl. § 267 Rn. 20) befindliches und nicht selbst oder als Kopie in das Urteil unmittelbar aufgenommenes (hierzu schon BayObLG, Beschluss vom 04.04.1996 - 2 ObOWi 223/96 = BayObLGSt 1996, 34 = NStZ-RR 1996, 211 = MDR 1996, 843 = NZV 1996, 330 = StraFo 1996, 171 = VRS 91, 367 [1996] = VerkMitt 1996, Nr. 126 = JR 1997, 38; ferner OLG Jena, Beschluss vom 24.03.2006 - 1 Ss 57/06 = VRS 110 [2006], 424 = ZfS 2006, 475 und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.12.2006 - 5 Ss [OWi] 199/06 = VerkMitt 2007, Nr. 20 = VRS 112 [2007], 43; vgl. auch Göhler/Se/tz OWiG 16. Aufl. § 71 Rn. 47b; KK-OWiG/Senge 4. Aufl. § 71 Rn. 118; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 267 Rn. 10; KK/Kucke/n StPO 7. Aufl. § 267 Rn. 6 a.E.; LR/Stuckenberg § 267 Rn. 14; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Gäntge StPO 2. Aufl. § 267 Rn. 10; Burhoff [Hrsg.]/Gübner, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 2712) Messfoto bzw. ,Frontfoto' oder ,Radarfoto', soll es zum Bestandteil der Urteilsurkunde werden, deutlich und zweifelsfrei nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen werden, um so über die Dokumentation und Beschreibung der Art und Weise der Beweiserhebung hinaus unmissverständlich auch den Willen zur Verweisung bei Abfassung der Urteilsgründe zum Ausdruck zu bringen. Fehlt eine entsprechende Bezugnahme, bedarf es deshalb einer ausführlichen - hier nicht erfolgten - Beschreibung des Lichtbildes nach Inhalt und Qualität in den Urteilsgründen (st.Rspr., vgl. neben BGH, Beschluss vom 19.12.1995 - 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89 und BayObLG a. a. O. u. a. OLG Bamberg, Beschlüsse vom 20.02.2008 - 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 [2008]; 21.04.2008 - 2 Ss OWi 499/08 = NZV 2008, 469; 06.04.2010 - 3 Ss OWi 378...

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