Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in Beschwerdefrist gegen Versagung der Reststrafenaussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt der Verurteilte Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Wochenfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Versagung einer Reststrafenaussetzung zur Bewährung, ist in dem Gesuch innerhalb der Wochenfrist des § 45 I StPO auch gemäß § 45 II 1 StPO glaubhaft zu machen, warum seitens des Verurteilten zuvor auf eine vorzeitige Entlassung (formblattmäßig) verzichtet wurde. Denn eine Frist versäumt nur, wer auch gewillt ist, diese wahrzunehmen, jedoch aus anderen Gründen an der Fristwahrung gehindert war.
2. Hat sich das Rechtsmittel durch prozessuale Überholung erledigt, kann dem Rechtsmittelführer auf einen erst nach dem erledigenden Ereignis gestellten Antrag hin ein Pflichtverteidiger nicht mehr beigeordnet werden.
Normenkette
StPO §§ 35, 43 Abs. 1, § 44 S. 1, §§ 45, 140 Abs. 2 S. 1, § 306 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 454 Abs. 3 S. 1; GVG § 184 Abs. 1 S. 1; EMRK Art. 6 Abs. 2
Tatbestand
Mit Beschluss vom 05.04.2013 hat die StVK die Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von 2/3 der mit Urteil des AG D. vom 10.10.2012 verhängten Freiheitsstrafe von 3 Monaten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr abgelehnt. Gegen diesen ihm am 09.04.2013 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit am 22.04.2013 eingegangenem Schreiben vom 21.04.2013 Beschwerde eingelegt. Mit am selben Tage eingegangenem Verteidigerschriftsatz vom 13.05.2013 beantragte der Verurteilte weiterhin die Beiordnung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger sowie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die sofortige Beschwerde, weil dem Verurteilten der angefochtene Beschluss abweichend vom Erkenntnisverfahren nicht in einer Übersetzung in einer für ihn verständlichen Sprache zugestellt worden sei. Der Verurteilte sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Es bestünden Zweifel an seiner geistigen Aufnahmefähigkeit. In einem weiteren Verfahren werde derzeit sogar seine Schuldfähigkeit begutachtet. Dem Verurteilten seien erst in der dortigen Hauptverhandlung am 08.05.2013, die mit einem Dolmetscher stattgefunden habe, die Vorgänge im hiesigen Verfahren übersetzt worden. Die Vollstreckung der verfahrensgegenständlichen Freiheitsstrafe wurde nach Verbüßung von 2/3 mit Ablauf des 24.04.2013 unterbrochen. Seit dem 25.04.2013 verbüßt der Verurteilte nunmehr eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten wegen Diebstahls aus einem Urteil des AG D. vom 04.04.2012 nach Widerruf der dortigen Strafaussetzung zur Bewährung. 2/3 dieser Freiheitsstrafe werden Ende September 2013 vollstreckt sein. Die Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 454 III Satz 1 StPO) und auch formgerecht eingelegt (§ 306 I StPO); sie ist jedoch verfristet.
1. Gemäß § 311 II StPO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung (§ 35 StPO), welche vorliegend durch Zustellung am 09.04.2013 (Dienstag) erfolgt ist (§ 35 II 1 StPO). Diese Zustellung war auch wirksam unbeschadet der Tatsache, dass sie nicht in einer dem Verurteilten verständlichen Sprache erfolgt ist. Nach § 184 I 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Dies gilt auch für die Abfassung gerichtlicher Entscheidungen und deren Zustellung (Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 184 GVG Rn. 3). Auch ist es für die Ingangsetzung der Beschwerdefrist unschädlich, dass die der Zustellung beigefügte Rechtsmittelbelehrung nicht in einer für den Verurteilten verständlichen Sprache übersetzt war (Meyer-Goßner § 35 a Rn. 9). Die Garantien des Art. 6 II MRK auf Übersetzungen gelten nur im Erkenntnisverfahren, nicht im Vollstreckungsverfahren (Meyer-Goßner Art. 6 MRK Rn. 1). Gemäß § 43 I StPO endete die Wochenfrist somit mit Ablauf des 16.04.2013 (Dienstag). Innerhalb dieser Frist wäre das Rechtsmittel einzulegen gewesen, wobei die Einlegung erst mit dem Eingang der Rechtsmittelschrift beim LG bewirkt ist (§ 306 I StPO). Das Beschwerdeschreiben des Verurteilten vom 21.04.2013 ist jedoch erst am 22.04.2013 dort eingegangen.
2. Dem Verurteilten kann gegen die Versäumung der Frist für die sofortige Beschwerde keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden. Sein entsprechendes Gesuch vom 13.05.2013 war vielmehr als unzulässig zu verwerfen.
a) War jemand ohne Verschulden gehindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 44 S. 1 StPO). Gemäß § 45 I StPO ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre, wobei es zur Fristwahrung genügt, dass der Antrag bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.
b) Gemäß § 45 II 1 StPO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. D...