Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit von Reisekosten

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Aktenzeichen 1 O 251/00)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG A. vom 1.3.2001 abgeändert.

II. Die Beklagte hat nach dem rechtswirksamen Vergleich des LG A. vom 25.9.2000 an die Klägerin 4.700,73 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 14.11.2000 zu erstatten.

III. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 12/100 und die Beklagte 88/100.

V. Der Beschwerdewert wird auf 1.755,60 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 15./19.3.2001 gegen den am 9.3.2001 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des LG A. vom 1.3.2001. Sie beanstandet, dass von den geltend gemachten Kosten nur die der Unterbevollmächtigten aus A. (3.627,50 DM), nicht aber die für ihre Prozessbevollmächtigten aus B. (2.090 DM) festgesetzt worden seien. Hilfsweise begehrt sie die vollen Kosten eines Hauptbevollmächtigten (4.140 DM) sowie eine 3/10 Ratsgebühr zzgl. Auslagen i.H.v. 347,50 DM. Die Beklagte beantragt, die sofortige Beschwerde der Klägerin mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass dieser eine weitere Unkostenpauschale i.H.v. 50 DM zuzusprechen sei.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet, weil die außergerichtlichen Kosten der Klägerin mit 5.472 DM festzusetzen sind.

1. Die Klägerin hat nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO Anspruch auf Erstattung der gesetzlichen Gebühren und Auslagen ihrer Hauptbevollmächtigten. Hingegen sind die von den Unterbevollmächtigten verursachten Gebühren und Auslagen nur in den Grenzen erstattungsfähig, als sie Gebühren betreffen, die bei gegebener Arbeitsteilung nicht von den Hauptbevollmächtigten verdient worden sind; ferner sind einzubeziehen die notwendigen Reisekosten und Abwesenheitsgelder, wie sie für den auswärtigen Anwalt bei eigener Terminswahrnehmung angefallen wären; damit sind im Ergebnis allein die durch nur einen beauftragten Anwalt auslösbaren Kosten maßgeblich, § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO.

a) Infolge Änderung des § 78 Abs. 1 ZPO und der damit verbundenen erweiterten Postulationsfähigkeit war die Klägerin mit Sitz in B. nicht mehr gezwungen, einen am Prozessgericht in A. zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen. Dadurch können Mehrkosten (Reisekosten, Abwesenheitsgelder) entstehen, wie sie bei Beauftragung eines am Prozessgericht ansässigen Anwalts nicht anfallen würden. Die hiermit verbundene Frage, ob diese Kosten im Falle des Obsiegens von der Gegenpartei gefordert werden können, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Änderung des § 78 Abs. 1 ZPO nicht geregelt. Auch in den Gesetzesmaterialien (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 78 Rz. 1) findet sich kein Hinweis auf kostenrechtliche Aspekte zur Erstattung von Reisekosten oder der Kosten eines Unterbevollmächtigten.

Deshalb sind die hier zu beurteilenden Mehrkosten nach den unverändert gebliebenen kostenrechtlichen Vorschriften einzuordnen. Dabei scheidet eine Lösung nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO aus (ebenso OLG Düsseldorf, JurBüro 2001, 255 ff.; OLG Frankfurt, JurBüro 2000, 537; SchlHOLG, JurBüro 2001, 197; a.A. OLG Karlsruhe, JurBüro 2001, 201 ff.; PfälzOLG Zweibrücken, JurBüro 2001, 202 f.; Hans. OLG Hamburg, JurBüro 2001, 203 f.; OLG Hamm, Anwaltsblatt 2001, 441 f.). Denn diese Norm regelt den Fall des beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts, der seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht befindet. In diesem Fall der „kleinen Distanz” sind die entstehenden Mehrkosten der obsiegenden Partei nicht zu erstatten.

Nach Änderung des § 78 Abs. 1 ZPO besteht nunmehr bei Beauftragung eines beim Prozessgericht nicht zugelassenen, postulationsfähigen Anwalts („große Distanz”) eine vergleichbare Interessenlage, weil auch hier Mehrkosten für einen nicht am Ort des Prozessgerichts ansässigen Anwalt zu beurteilen sind. Jedoch ist § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO weder – wie sein eindeutiger Wortlaut zeigt – direkt noch über eine den Gesetzeszweck berücksichtigende Auslegung anwendbar, weil die Regelung einen Sondertatbestand ggü. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO darstellt.

Denn nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die Reisekosten eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen und nicht am Ort des Prozessgerichts wohnenden Rechtsanwalts zu erstatten, soweit die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Im Vergleich mit § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO hat der Gesetzgeber damit der Erstattung von Mehrkosten des zugelassenen Anwalts in § 91 Abs. 2 S. 2 eine Absage erteilt, während für die Mehrkosten des nicht zugelassenen Anwalts ein Ersatz bei Notwendigkeit für die Rechtsverfolgung vorgesehen ist. Damit regelt § 91 Abs. 2 S. 2 einen Sonderfall, der nicht durch Auslegung auf einen von § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO erfassten Fall ausgedehnt werden darf.

Auch im Wege der Analogie ist der Regelungsinhalt des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht auf den Fall des nicht be...

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