Entscheidungsstichwort (Thema)
Weisung zur Mitteilung eines intimen Verhältnisses bei Führungsaufsicht
Leitsatz (amtlich)
Eine im Rahmen der Führungsaufsicht auf § 68 b II 1 StGB gestützte Weisung, wonach der Verurteilte die Aufnahme eines intimen Verhältnisses seinem Bewährungshelfer binnen Wochenfrist mitzuteilen habe, erweist sich unbeschadet des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Intimsphäre als Kernbereich privater Lebensführung schon deshalb als rechtswidrig, weil sie in ihrer konkreten Form weder für eine Gefährder- oder Gefährdetenansprache geeignet noch kontrollierbar ist.
Normenkette
GG Art. 1 I, Art. 2 I; StGB § 68b Abs. 1, 2 S. 1, § 68d Abs. 1; StPO § 306 Abs. 1, § 453 Abs. 2, §§ 462a, 463 Abs. 2
Tatbestand
Die gegen den Bf. 1999 wegen Mordes verhängte Freiheitsstrafe von 15 Jahren ist seit Anfang Oktober 2012 vollständig verbüßt. Mit Beschluss vom 18.09.2012 hat die StVK festgestellt, dass Führungsaufsicht eintritt und ihre Dauer auf 5 Jahre festgesetzt. Weiter hat sie den Bf. für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des für seinen jeweiligen Hauptwohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt und ihm eine Reihe von Weisungen erteilt, darunter unter Ziff. IV. 4. bzw. 5. die Weisung, wonach "eine Behandlungs- bzw. Vorstellungsweisung hinsichtlich eines Neurologen oder Psychiaters [...] erteilt werde, sobald ein hierfür geeigneter Neurologe oder Psychiater gefunden" sei sowie die weitere Weisung, dass der Bf. "das Eingehen eines intimen Verhältnisses mit einer Frau [...] seinem Bewährungshelfer binnen 1 Woche mitzuteilen" habe. Die Erteilung weiterer Weisungen blieb ausdrücklich vorbehalten. Mit beim LG am 27.09.2012 eingegangenem Schriftsatz seiner Verteidigerin vom selben Tage legte der Bf. gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein, welche er zugleich auf die Erteilung der unter Ziff. IV. 4. und 5. erteilten Weisungen beschränkte. Die StVK hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die GStA beantragt, die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Weisung unter Ziff. V. 5. des Beschlusses richtet, als unbegründet und im Übrigen als unzulässig kostenpflichtig zu verwerfen. Das Rechtmittel erwies sich als teilweise erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Auf die Beschwerde ist der Beschluss der StVK in Ziff. IV. 5. aufzuheben; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel bereits als unzulässig.
1.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 463 II, 453 II StPO als einfache Beschwerde statthaft, da sie sich lediglich gegen die Anordnung von einzelnen Weisungen richtet (KK/Appl StPO 6. Aufl. § 454 Rn. 38; OLG Düsseldorf NStZ 1985, 27 f.) und auch sonst in zulässiger Art und Weise eingelegt ist (§ 306 I StPO).
a) Eine Rechtsmittelbeschränkung auf einzelne Anordnungen im Rahmen eines Beschlusses, der die Führungsaufsicht näher ausgestaltet, ist möglich, soweit diese gegenüber den sonstigen Anordnungen derart selbständig sind, dass sie eine gesonderte Prüfung und Beurteilung erlauben (Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 304 Rn. 4). Dies ist vorliegend der Fall.
b)
Jedoch erweist sich die Beschwerde mangels Beschwer als unzulässig, soweit sie sich gegen die in Ziff. IV. 4. des Beschlusses enthaltene Ankündigung einer Behandlungs- bzw. Vorstellungsweisung richtet. Aus dem Wortlaut des Beschlusstenors geht eindeutig hervor, dass eine entsprechende Weisung erst noch erteilt werden soll. Die bloße Ankündigung einer Weisung nimmt lediglich Bezug auf die Vorschrift des § 68 d I StGB, wonach Weisungen nachträglich getroffen, geändert oder aufgehoben werden können. Insoweit beeinträchtigt der Beschluss den Bf. somit nicht in seiner aktuellen Lebensführung und schmälert auch nicht seine Rechtsposition, wenn die angekündigte Weisung später erteilt wird und dann mit der einfachen, nicht fristgebundenen Beschwerde angefochten werden kann.
2.
Eine Beschwerde, die sich gegen die Ausgestaltung der Führungsaufsicht richtet, kann in der Sache nur darauf gestützt werden, dass die vom Gericht getroffenen Regelungen gesetzwidrig sind (§§ 463 II, 453 II 2, 1. Alt. StPO). Folglich hat das Beschwerdegericht insoweit auch nur die Gesetzmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung zu prüfen und darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des nach § 462 a StPO berufenen Gerichts setzen (KK/Appl § 453 Rn. 12 m.w.N.). Gesetzwidrig sind Anordnungen nur dann, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreiten (KK/Appl § 453 Rn. 13). Gleiches muss für den Fall gelten, dass eine Ausübung des Ermessens überhaupt nicht ersichtlich ist. Ansonsten verbleibt es bei dem Grundsatz, die mit den Führungsaufsichtsanordnungen verbundene Ermessensentscheidung der ersten Instanz zu überlassen. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit umfasst aber neben der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung in der angewendeten Vorschrift eine ausreichende Rechtsgrundlage hat und ob Ermessensmissbrauch vorliegt, auch die Prüfung, ob der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten ist (Meyer-Goßn...