Leitsatz (amtlich)
Der Verfahrenswert eines Verfahrens der einstweiligen Anordnung in Unterhaltssachen entspricht in der Regel nicht dem Wert der Hauptsache. Für die Bemessung des Gegenstandswertes sind die Verhältnisse zu Beginn des Verfahrens maßgeblich. Ob das einstweilige Anordnungsverfahren das Hauptsacheverfahren vorwegnimmt oder ersetzt, kann zu diesem Zeitpunkt in der Regel nicht prognostiziert werden.
Normenkette
RVG § 23 Abs. 1, §§ 32-33; FamGKG §§ 34, 41 S. 2; FamFG § 246
Verfahrensgang
AG Aschaffenburg (Beschluss vom 08.09.2011; Aktenzeichen 3 F 888/11) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts W. wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Aschaffenburg vom 8.9.2011 in Ziff. 3 dahingehend abgeändert, dass der Gegenstandswert des Verfahrens erster Instanz auf 3.211 EUR festgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Das AG - Familiengericht - Aschaffenburg hat mit Beschluss vom 8.9.2011 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt i.H.v. 494 EUR verpflichtet und in Ziff. 3 der bereits erwähnten Entscheidung den Verfahrenswert auf 6 × 494 EUR = 2.964 EUR festgesetzt. Dagegen wendet sich Rechtsanwalt W. mit seiner Beschwerde vom 26.9.2011, in der er darauf hinweist, dass die einstweilige Anordnung in Unterhaltssachen die Hauptsache überflüssig mache und es deshalb gerechtfertigt sei, nicht den hälftigen, sondern den vollen Hauptsachewert als Gegenstandswert anzusetzen.
II. Auf das Verfahren ist nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das FamGKG anzuwenden, weil es nach dem 1.9.2009 anhängig geworden ist.
Die Beschwerde des Rechtsanwalts ist gem. §§ 59 Abs. 1, 57 FamGKG zulässig.
In der Sache hat sie nur geringen Erfolg. Mit dem Antrag ist Ehegattenunterhalt ab 1.5.2011 geltend gemacht worden. Der einleitende Schriftsatz ist am 31.5.2011 beim Familiengericht eingegangen. Bei dem Unterhalt für Mai 2011 handelt es sich damit um Unterhaltsrückstand (§ 51 Abs. 2 FamGKG), der hier wegen des einstweiligen Anordnungsverfahrens mit der Hälfte (§ 41 FamGKG) hinzuzurechnen ist, so dass sich insgesamt ein Gegenstandswert in der titulierten Höhe errechnet.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Zu der Frage des Gegenstandswert einstweiliger Anordnungen im Bereich des Unterhalts bestehen unterschiedliche Auffassungen unter den OLG. Während beispielsweise das OLG Köln (FamRZ 2011, 758) die Meinung vertritt, dass es bei einstweiligen Anordnungen in diesem Bereich in der Regel bei dem vom § 41 Satz 2 FamGKG angeordneten hälftigen Verfahrenswert verbleibt (ebenso OLG Celle FamRZ 2011, 757), vertreten andere OLG die Auffassung, dass in Unterhaltsverfahren in der Regel ein höherer Wert angesetzt werden muss (OLG Brandenburg FamRZ 2010, 1937; OLG Düsseldorf NJW 2010, 1385). Der Senat schließt sich der ersten Auffassung an. Einstweilige Anordnungen im Bereich des Unterhaltsrechts führen keineswegs in der Regel zu einer endgültigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens. Die einstweilige Anordnung erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Ob und in welchem Umfang tatsächlich Unterhalt geschuldet wird, ist durch die einstweilige Anordnung damit nicht geklärt. Sie kann im Übrigen jederzeit nach Maßgabe des § 54 FamFG abgeändert werden und bleibt auch keineswegs in der Regel über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr bestehen. Oft wird eine ergangene einstweilige Anordnung zum Anlass genommen, entsprechende Hauptsacheverfahren einzuleiten, um den tatsächlichen Umfang der Unterhaltspflicht rechtsverbindlich zu klären. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass einer einstweiligen Anordnung im Bereich des Unterhaltsrechts generell die Wirkung einer Hauptsacheentscheidung gleichkommt.
Auch in dem vorliegenden Verfahren sind dafür keine Anhaltspunkte vorhanden. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Anerkenntnis des Antragsgegners. Nachdem es in einem einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen ist, kommt der daraus abgeleiteten Entscheidung keine materielle Rechtskraftwirkung zu. Im Übrigen ist die Art der Erledigung des Verfahrens für die Bemessung des Gegenstandswerts unerheblich, weil nach § 34 FamGKG nur die Verhältnisse zu Beginn des Verfahrens maßgeblich sind.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich (§§ 59 Abs. 1, 57 Abs. 7 FamGKG). Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 59 Abs. 3 FamGKG).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.
Fundstellen
FamRZ 2012, 739 |
FuR 2012, 144 |
AGS 2012, 32 |
FamFR 2012, 41 |