Leitsatz (amtlich)
1. Eine vorbereitende Akteneinsicht durch den Anwalt führt nicht zur Entstehung der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 RVG-VV, wenn die Akteneinsicht ausschließlich zur Beratung dient und es zum Betreiben eines Geschäfts, also zu einer über die Beratung hinausgehenden Tätigkeit, nicht kommt.
2. Die Beratungsgebühr gemäß Nr. 2501 RVG-VV deckt sämtliche mit der Beratung zusammenhängenden Tätigkeiten und damit auch eine vorbereitende Akteneinsicht ab (Anschluss an OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.10.2014, 12 W 220/14 [juris]).
Normenkette
RVG-VV Nrn. 2501, 2503; RVG § 33 Abs. 3, § 56 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Forchheim (Beschluss vom 12.11.2015; Aktenzeichen 1 UR II 383/13) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts gegen den Beschluss des AG Forchheim vom 12.11.2015, Az. 1 UR II 383/13, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beratungshilfe gewährende Rechtsanwalt (im Folgenden: Anwalt) und die Staatskasse streiten darum, ob die Akteneinsichtnahme mit der Beratungsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2501 abgegolten ist oder eine Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 entstehen lässt.
Der Antragstellerin wurde am 17.06.2013 in der Angelegenheit "Beratung wegen Führerschein (Strafbefehl)" ein Beratungshilfe-Berechtigungsschein mit der Maßgabe erteilt, dass die rechtliche Beratung und - soweit erforderlich - die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bewilligt werde und dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in Straf- und Bußgeldsachen auf die Beratung beschränke. Der Anwalt beriet die Antragstellerin und nahm Akteneinsicht in die Verwaltungsakte der Straßenverkehrsbehörde. Weitere rechtliche Schritte wurden nicht ergriffen.
Der Anwalt beantragte am 12.11.2014 die Festsetzung und Auszahlung einer Vergütung von insgesamt 145,18 EUR unter Berücksichtigung u.a. einer Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 in Höhe von 85,00 EUR. Mit Beschluss vom 12.08.2015 setzte das AG Forchheim die Vergütung lediglich unter Berücksichtigung einer Beratungsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2501 von 35,00 EUR auf insgesamt 73,78 EUR fest.
Mit seiner Erinnerung vom 13.08.2015 beantragte der Anwalt unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Naumburg vom 14.12.2012, 2 Wx 66/12, die Festsetzung weiterer 71,40 EUR, weil bereits durch die Beantragung der Akteneinsicht eine Vertretungstätigkeit für die Mandantin entfaltet worden und die Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 in Höhe von 85,00 EUR bereits durch die Akteneinsicht entstanden sei.
Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger wies das AG Forchheim mit Beschluss vom 12.11.2015 die Erinnerung zurück und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Beschwerde zu. Die Richterin schloss sich der Ansicht der Rechtspflegers und des Bezirksrevisors bei dem LG Bamberg an. Sie führte aus, dass die Akteneinsicht noch der Information im Rahmen der Beratung zuzuordnen sei, zumal weitere Aktivitäten vom Anwalt nicht mehr entfaltet wurden. Es wäre auch unbillig, wenn der Anwalt bei sonst gleichem Informations- und Beratungsaufwand allein durch ein Akteneinsichtsgesuch seine Vergütung von 35,00 auf 85,00 EUR steigern könnte.
Gegen diesen am 13.11.2015 zugestellten Beschluss hat der Anwalt am 27.11.2015 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf insgesamt 145,18 EUR festzusetzen. Er führte aus, das AG habe verkannt, dass zur Akteneinsicht denknotwendig eine Vertretung erfolgen und eine Tätigkeit nach außen entfaltet werden muss. Der Tatbestand der Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 schließe ausdrücklich die Information ein. Ohne Bedeutung sei, ob es danach zu weiterem Schriftverkehr oder zur Einlegung von Rechtsbehelfen kommt.
Das AG Forchheim hat der Beschwerde mit Beschluss vom 07.12.2015 nicht abgeholfen.
II.1. Die vom AG zugelassene Beschwerde des Anwalts ist zulässig gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG.
Soweit der Anwalt die Beschwerde nicht nur ausdrücklich im eigenen Namen sondern auch im Namen der Antragstellerin erhoben hat, ist von einem offensichtlichen Versehen auszugehen, da der Vergütungsanspruch ausschließlich dem Beratungshilfe leistenden Anwalt zusteht und nur er (neben der Staatskasse) beschwerdebefugt ist, § 8 BerHG, §§ 44, 56 Abs. 1 RVG.
Zuständig zur Entscheidung ist gemäß § 33 Abs. 4 S. 2 RVG, § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG, § 5 BerHG das Oberlandesgericht Bamberg. Gemäß § 33 Abs. 8 S. 2 RVG entscheidet der Senat, nachdem der gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 RVG originär zuständige Einzelrichter das Verfahren mit Beschluss vom 01.02.2016 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Senat übertragen hat.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vergütungsfestsetzung ist nicht zu beanstanden.
Die Beantragung und die Einnahme von Akteneinsicht durch den Anwalt führt nicht zur Entstehung der Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503, wenn die Akteneinsicht - wie hier - ausschließlich zur Beratung dient und es zum Betreiben eines Geschäfts, also zu einer über die Beratung hinausgehenden Tätigkeit, z.B. zur Stellung eines Antrags in der Sache selbst oder zum Ergreifen eines ...