Leitsatz (amtlich)

1. Eine Streitverkündung an den vom Gericht beauftragten Sachverständigen ist unzulässig.

2. Wird die Streitverkündungsschrift dem Sachverständigen - gleichwohl - zugestellt und tritt dieser einer Partei bei, führt das Ablehnungsgesuch der anderen Partei dazu, dass der Sachverständige von der weiteren Mitwirkung an dem Verfahren ausgeschlossen ist.

3. Die vom Sachverständigen bisher erstatteten Gutachten bleiben jedoch verwertbar, wenn - was bei dieser Konstellation regelmäßig der Fall sein wird - die den Sachverständigen ablehnende Partei seinen Beitritt selbst provoziert hat und ihr darauf gestützter Befangenheitsantrag infolgedessen rechtsmissbräuchlich ist.

 

Normenkette

ZPO § § 41 ff. a.F., § 72 a.F., § 412 Abs. 1 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Aktenzeichen 61 O 1526/99)

 

Tenor

Der Ablehnungsantrag der Beklagten gegen den Sachverständigen ist insoweit begründet, als dieser seit dem 18.10.2005 befangen und infolgedessen von der weiteren Mitwirkung in diesem Verfahren ausgeschlossen ist.

Der Ablehnungsantrag der Beklagten gegen den Sachverständigen wird insoweit zurückgewiesen, als die bisher vom Sachverständigen in diesem Verfahren einschließlich des selbständigen Beweisverfahrens erstatteten Gutachten verwertbar bleiben.

Die Rechtsbeschwerde gegen Ziff. II. dieses Beschlusses wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte die Kosten der Beseitigung von Mängeln an einem Bauvorhaben geltend. Mit Bauvertrag vom 12.3.1991 erteilte die Klägerin der Beklagten im Rahmen eines Generalunternehmervertrages den Auftrag/zum Bau eines Wohnhauses mit Tiefgarage in ... Nach dessen Errichtung kam es zu Wassereinbrüchen insb. in der Tiefgarage.

Die Klägerin veranlasste infolgedessen ein selbständiges Beweis verfahren, Az:... In diesem erstattete der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, ... am 29.9.1997 ein schriftliches Gutachten, am 22.7.1998 ein schriftliches Ergänzungsgutachten - Teil 1 - sowie am 22.1.1999 ein schriftliches Ergänzungsgutachten - Teil 2 -.

Im Hauptsacheverfahren erstattete der Sachverständige ... auf entsprechende Beschlüsse des LG hin das schriftliche Gutachten vom 27.5.2001 und ein schriftliches Ergänzungsgutachten vom 28.10.2002. In den Terminen vom 18.3.2003 und vom 7.6.2005 wurde er mündlich angehört.

Eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen wurde weder im selbständigen Beweis- noch im Hauptsacheverfahren von einer der Parteien geäußert.

Mit Grundurteil vom 28.6.2005 erklärte das LG Würzburg die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt. In den Entscheidungsgründen stellte es fest, es liege ein objektiver Mangel vor, der seine Ursache nicht ausschließlich im Verantwortungsbereich des Bestellers habe. Diese Feststellung begründete das LG u.a. mit den Darlegungen des Sachverständigen

Zugleich beschloss das LG Würzburg, Beweis zu erheben zur Behauptung der Beklagten, die Mängel hätten durch den Einbau von wasserdichten Lichtschächten mit einem erheblich niedrigeren Kostenaufwand behoben werden können, und ggf. zu den bestrittenen von der Klägerin geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten. Mit der Begutachtung beauftragte das LG in diesem Beweisbeschluss wiederum den Dipl.-Ing. ...

Gegen das Grundurteil des LG Würzburg legte die Beklagte form- und fristgerecht Berufung ein. Zu deren Begründung führe sie u.a. aus, bestimmte Feststellungen des Sachverständigen seien nicht richtig. Die erneute Anhörung des Sachverständigen ... wurde nicht beantragt.

Mit Schriftsatz vom 26.8.2005 verkündete die Beklagte dem Sachverständigen den Streit und forderte ihn auf, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten (Bl. 284-286 d.A.). Die Streitverkündungsschrift wurde dem Sachverständigen zugestellt (Bl. 283 d.A.). Mit Schriftsatz vom 18.10.2005 trat der anwaltlich vertretene Sachverständige ... dem Schriftsatz vom 13.10.2005 an (Bl. 336 f. d.A.). Die Beitrittserklärung wurde dem Beklagtenvertreter am 25.10.2005 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 26.10.2005 lehnte die Beklagte den Sachverständigen ... wegen Besorgnis der Befangenheit. Zur Begründung führte sie aus, durch seinen Beitritt habe der Sachverständige die Grundsätze der Neutralität verletzt. Er mache sich einseitig für eine Prozesspartei stark und gebe zu erkennen, dass er diese Partei nach §§ 66, 67 ZPO als Helfer unterstützen wolle. Im Hinblick auf § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO führte die Beklagte aus, dass sich die Befangenheit erst aus dem Schriftsatz des Streithelfers vom 18.10.2005 ergebe (Bl. 339 d.A.).

In der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2005 wurde die Frage der Folgen der Ablehnung des Sachverständigen, insb. die der Verwertbarkeit der von ihm bisher erstatteten Gutachten erörtert (Bl. 348 d.A.).

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 14.11.2005 erklärte der Sachverständige seinen Beitritt damit, nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen seiner Haftpflichtversichtung treffe ihn die Obliegenheit, dem Versicherer einen etwaigen Versicherungsfall unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Zudem sei er verp...

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