Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumnisurteil, Bestellter Prozeßbevollmächtigter, Wiedereinsetzungsantrag, Einspruchsschrift, Klageabweisung, Wiedereinsetzungsgrund, Berufungsverfahren, Terminsverlegungsantrag, Prozeßvollmacht, Hinreichende Erfolgsaussicht, Aufhebung, Klageerwiderung, Landgerichte, Beschlußverfahren, Zurückweisung der Berufung, Schriftsätze, Verteidigungsanzeige, Rechtzeitigkeit des Einspruchs, Früherer Prozessbevollmächtigter, Terminsladung
Verfahrensgang
LG Bamberg (Urteil vom 07.02.2022; Aktenzeichen 1 HK O 21/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 07.02.2022 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 40.738,00 EUR festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis längstens 01.07.2022.
Gründe
I. Der Kläger begehrt vom Beklagten Unterlassung behaupteter wettbewerbswidriger Äußerungen im Internet.
1. Nach Zustellung der Klageschrift bestellte sich für den Beklagten mit Schriftsatz vom 10.08.2021 die Kanzlei A. und zeigte die Verteidigungsbereitschaft des Beklagten an. Nachdem eine Klageerwiderung nicht eingegangen war, bestimmte das Landgericht Termin auf den 03.12.2021. In der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2021 erschien für die Beklagtenseite niemand. Daraufhin erging gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil, das der Kanzlei A. am 16.12.2021 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 30.12.2021 legte der zwischenzeitlich neu bestellte Prozessbevollmächtigte des Beklagten Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein und beantragte (hilfsweise) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
2. Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
- gegebenenfalls unter Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - das Versäumnisurteil vom 03.12.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
den Einspruch zu verwerfen.
3. Das Landgericht hat den Einspruch des Beklagten mit Endurteil vom 07.02.2022 als unzulässig verworfen und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entsprochen.
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
4. Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die zulässige Berufung des Beklagten. Er trägt im Wesentlichen vor: Der Einspruch sei fristgerecht gewesen, da er am 30.12.2021 um 23:59 Uhr qualifiziert elektronisch signiert und versandt worden sei. Es fehle auch nicht an einer Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe, vielmehr sei die Zustellung an die "falsche" Anwaltskanzlei und der Versand der Einspruchsschrift aktenkundig gewesen.
Der Beklagte beantragt,
1. Das Endurteil vom 07.02.2022 aufzuheben;
2. festzustellen, dass der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 03.12.2021 zu Unrecht verworfen wurde;
3. die Angelegenheit zur weiteren Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen;
4. das Versäumnisurteil vom 03.12.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Wegen des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 09.05.2022 samt Anlagen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Auf die Berufungserwiderung vom 08.06.2022 wird verwiesen.
II. Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet, so dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
1. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, die auf den 30.12.2021 datierende Einspruchsschrift sei nicht fristgerecht eingegangen, weil die Zustellung des Versäumnisurteils vom 03.12.2021 an die Anwaltssozietät A. wirksam war und die Einspruchsfrist deshalb bereits am 16.12.2021 zu laufen begonnen hatte.
a) Frei von Rechtsfehlern hat das Landgericht seiner Entscheidung zunächst zugrunde gelegt, dass die Einspruchsfrist am 16.12.2021 zu laufen begonnen hatte, da die Zustellung des Versäumnisurteils an die A. wirksam war.
aa) Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat in einem anhängigen Verfahren die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Im Streitfall hatte die A. mit Schriftsatz vom 10.08.2021 (Bl. 79 f.) die Vertretung des Beklagten angezeigt und mitgeteilt, sich gegen die Klage verteidigen zu wollen. Bestellt sich ein Rechtsanwalt derart gegenüber dem Gericht, ist § 172 ZPO ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob eine Prozessvollmacht tatsächlich wirksam erteilt wurde (BGH NJW 1992, 3096 Rn. 34; NJW 2002, 1728 Rn. 18) oder im Umfang der §§ 80 ff. ZPO bestand (BGH VersR 86, 993 Rn. 3).
Auf den Vortrag des Beklagten zu einer angeblich eingeschränkten Mandatserteilung (vgl. Schreiben vom 02.11.2021 = Bl. 97 f. und Anlage BK 2) kommt es vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich an. Allerdings ist diese...