Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit eines Richters wegen Ablehnung einer Terminsverlegung
Leitsatz (amtlich)
›Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn auf einen berechtigten Terminsverlegungsantrag ohne Rücksichtnahme auf die Anreisedauer terminiert und eine weitere Verlegung dieses Termins kategorisch abgelehnt wird.‹
Verfahrensgang
AG Landshut (Entscheidung vom 18.10.2004) |
Gründe
I. Mit Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 09.06.2004 wurde gegen die Betroffene wegen Missachtung des länger als eine Sekunde andauernden Rotlichts einer Ampelanlage eine Geldbuße von 125 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Nach Einspruch der Betroffenen bestimmte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung für Mittwoch, den 22.09.2004 um 7.55 Uhr. Mit Schriftsatz vom 14.09.2004 beantragte der Verteidiger wegen einer Terminskollision die Verlegung des Hauptverhandlungstermins und bat darum, den Termin in den Mittagsstunden anzuberaumen, da er beabsichtige, mit der Partei aus der Nähe von Karlsruhe zum Termin nach Landshut anzureisen. Mit Verfügung vom 16.09.2004 verlegte der Tatrichter den Hauptverhandlungstermin auf Montag, den 18.10.2004, 9.20 Uhr, mit dem Zusatz "Dieser Termin wird nicht mehr verlegt werden".
Nach Zustellung der neuen Ladung am 28.09.2004 lehnte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 29.09.2004 den Vorsitzenden Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab und führte hierzu aus: Bei einer Terminierung auf 9.20 Uhr hätte die Abreise vom Kanzleisitz bzw. Wohnsitz der Betroffenen nachts um 1.34 Uhr erfolgen müssen, während bei einer Terminierung in den Mittagsstunden die Abreise um 7.07 Uhr mit Ankunft in Landshut Hauptbahnhof um 11.33 Uhr möglich gewesen wäre. Diese Bitte habe der Vorsitzende Richter völlig ignoriert. Aus dem Zusatz "Dieser Termin wird nicht mehr verlegt werden", ergebe sich, dass die Geduld des Richters bereits nach einem Verlegungsantrag und nach einem begründeten Terminierungswunsch in den Mittagsstunden erschöpft sei, obwohl dieser Wunsch wegen der offensichtlich erkennbaren Distanz sachlich gerechtfertigt gewesen sei.
Der abgelehnte Richter führte in seiner dienstlichen Stellungnahme aus, dass er der Betroffenen nach seinen üblichen Terminierungsgrundsätzen keinen Termin in den Mittagsstunden habe einräumen können. Er halte keine reine Bußgeldsitzungstage ab, sondern verhandle die Bußgeldsachen regelmäßig an Strafrichtersitzungstagen in der Zeit von 7.45 Uhr bis 8.45 Uhr. Aus Gründen der Gleichbehandlung mache er auch unter Berücksichtigung der Anreise keinerlei Ausnahmen.
Durch Beschluss vom 12.10.2004 wurde das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen, wobei in der dargestellten Terminierungspraxis des Tatrichters keine Willkür erblickt wurde. Auf den das Ablehnungsgesuch stützenden Zusatz "Dieser Termin wird nicht mehr verlegt werden" ging der Ablehnungsbeschluss nicht ein.
Weil weder der Verteidiger noch die Betroffene im Termin zur Hauptverhandlung am 18.10.2004 erschienen, verwarf das Amtsgericht den Einspruch wegen unentschuldigten Ausbleibens. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen; sie rügt die Verletzung materiellen sowie formellen Rechts, insbesondere erhebt sie die Befangenheitsrüge.
II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die Verfahrensrüge ist jedenfalls insoweit formwirksam im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG erhoben, als die Betroffene die Befangenheitsrüge erhebt (§ 338 Nr. 3 StPO). Auch wenn der ablehnende Gerichtsbeschluss vom 12.10.2004 in der Begründungsschrift nicht wortwörtlich wiedergegeben ist, so wird jedoch sein wesentlicher Inhalt sinngemäß dargestellt: Es wird mitgeteilt, dass das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen wurde, die Ablehnungsbegründung ebenso wie die - vorab wörtlich zitierte - dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters nur auf den Ablehnungsgrund der frühen Terminierung gestützt wurde, nicht jedoch auf den Ablehnungsgrund, der aus dem Zusatz "Dieser Termin wird nicht mehr verlegt werden" geltend gemacht wird. Weitere substantielle Ausführungen enthält der Beschluss vom 12.10.2004 nicht. Die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verfolgt keinen Selbstzweck, sondern soll lediglich dazu anhalten, die Verfahrensfehler so darzustellen, dass sie aus der Rechtsbeschwerdeschrift heraus ohne weitere Inanspruchnahme der Akten durch das Rechtsbeschwerdegericht überprüft werden können (Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 344 Rn 21).
Auf die inhaltliche Darstellung der Stellungnahme vom 11.10.2004 kommt es - was die Befangenheitsrüge anlangt - ebenfalls nicht an, da sie lediglich Rechtsausführungen und kein sonstiges zum Verständnis der Rüge erforderliches Vorbringen enthält.
2. Die Befangenheitsrüge hat in der Sache Erfolg, da das Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG von einem Richter erlassen wurde, n...