Leitsatz (amtlich)
Es entspricht nicht (mehr) den gesetzlichen Vorgaben des § 19 Abs. 2 KostO, im Rahmen der Geschäftswertfestsetzung bei der Bestimmung des Werts landwirtschaftlich genutzter Flächen auf das Vierfache oder einen anderen Mehrfachbetrag der Ertragsmesszahl abzustellen.
Normenkette
KostO § 19 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Gemünden am Main (Beschluss vom 12.10.2011; Aktenzeichen VI 525/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der den Geschäftswert festsetzende Beschluss des AG - Nachlassgericht - xxx vom 12.10.2011 - xxx/11, aufgehoben.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Geschäftswert unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen.
Gründe
I. Auf Antrag der Erbin hat das Nachlassgericht ihr einen Erbschein nur für Grundbuchzwecke erteilt. Der Nachlass beinhaltet ein Waldgrundstück sowie mehrere Grundstücke Ackerland. Im Rahmen des Verfahrens über die Erteilung des beschränkten Erbscheins gab die Erbin vor dem Nachlassgericht auch eine Versicherung an Eides Statt ab.
Nach Erteilung des Erbscheins stellte die Kostenbeamtin des AG xxx der Erbin mit Kostenansatz vom 22.6.2011 für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung sowie für die Erteilung des beschränkten Erbscheins jeweils eine 1,0-Gebühr aus einem Wert von 42.783 EUR in Rechnung, mithin jeweils 120 EUR. Für das Waldgrundstück ging sie dabei bei 1.400 qm von einem Wert von 0,5 EUR/qm aus. Für das Ackerland legte sie die Ertragsmesszahl der jeweiligen Grundstücke zugrunde, multiplizierte diese mit 4 und teilte das Ergebnis durch 1,95583, um zum Grundstückswert zu gelangen.
Der Bezirksrevisor bei dem LG Würzburg beanstandete dies mit Prüfungsbemerkung vom 26.9.2011, soweit es um den Wert des Ackerlandes ging. Er vertrat die Auffassung, zutreffenderweise hätte das Vierfache der Ertragsmesszahl als Wert herangezogen werden müssen, so dass das Ackerland insgesamt 82.304 EUR wert sei. Ausgehend von dem sich dann ergebenden Gesamtwert von 83.004 EUR forderte er die Kostenbeamtin auf, noch weitere 144 EUR (zwei 1,0-Gebühren ä 192 EUR) zu erheben.
Mit dem jetzt angefochtenen Beschluss vom 12.10.2011 setzte daraufhin das Nachlassgericht den Geschäftswert für die Erbscheinserteilung auf 42.783 EUR fest. Die auf den vierfachen Wert der Ertragsmesszahl abstellende Rechtsprechung stamme aus dem Jahre 1974 und gehe von DM-Werten aus; nach Umrechnung in Euro ergebe sich für das Ackerland daher ein Wert von 42.083 EUR.
Hiergegen legten die Bezirksrevisoren bei dem LG Würzburg namens der von ihnen vertretenen Staatskasse "Beschwerde gem. § 31 Abs. 3 Satz 2 KostO" ein mit dem Antrag, den Beschluss vom 13.10.2011 (gemeint: 12.10.2011) als unzulässig aufzuheben. Bei der Prüfungsbemerkung handele es sich um eine Maßnahme im Rahmen der Aufsicht über den Kostenansatz gem. § 43 KostVfg.; daher sei die Kostenbeamtin eindeutig weisungsgebunden. Eine Streitwertfestsetzung sei nicht beantragt worden, weshalb sie auch nicht in Betracht komme.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Insbesondere sei die Festsetzung des Geschäftswerts nach § 31 Abs. 1 KostO zulässig gewesen, da sie im vorliegenden Fall angemessen erscheine. Es bestehe nämlich Streit darüber, welcher Wert bei der Bewertung von Grundbesitz mittels der Ertragsmesszahl anzusetzen sei.
II. Die Beschwerde ist gem. § 31 Abs. 3 KostO statthaft, weil sie im angegriffenen Beschluss zugelassen worden ist. Die Frist des § 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 KostO ist gewahrt. Die Staatskasse ist beschwerdeberechtigt (vgl. z.B. Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl. 2008, S. 183 "Beschwerden 1.1.4") und wird durch die Bezirksrevisoren bei dem LG vertreten, § 4 Abs. 1 Nr. 7a) VertrV.
Die sich im Zusammenhang mit der Kostenprüfung auf der Grundlage der Kostenverfügung eventuell stellenden Fragen sind dienstaufsichtsrechtlicher Natur und im Bedarfsfall auf dem hierfür vorgesehenen Weg zu klären. Im vorliegenden Verfahren sind sie dagegen gänzlich ohne Belang. Zur Entscheidung des Senats steht allein, ob die Festsetzung des Geschäftswerts durch das Nachlassgericht zu beanstanden ist. Dies ist vorliegend zu bejahen, weil jedenfalls inzwischen eine Geschäftswertermittlung anhand der Ertragsmesszahlen für landwirtschaftliche Grundstücke nicht mehr im Einklang mit § 19 Abs. 2 KostO steht.
1. In Nachlasssachen erfolgt die Bewertung nach den Vorschriften der Kostenordnung (vgl. § 1 KostO). Für das Verfahren zur Erteilung eines beschränkten Erbscheins ordnet § 107 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KostO an, dass die Gebühren nach dem Wert der Grundstücke berechnet werden.
Gemäß § 19 Abs. 2 KostO ist bei der Bewertung von Grundbesitz der letzte Einheitswert maßgebend, der zur Zeit der Fälligkeit der Gebühr bereits festgestellt ist, sofern sich nicht aus dem Inhalt des Geschäfts, den Angaben der Beteiligten, Grundstücksbelastungen, amtlich bekannten oder aus den Grundakten ersichtlichen Tatsachen oder Vergleichswerten oder aus sonstigen ausreichenden Anhalt...