Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsnehmer, Versicherungsschutz, Transparenzgebot, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Überraschende Klausel, unangemessene Benachteiligung, Schmerzensgeldansprüche, Gelegenheit zur Stellungnahme, Berufungsverfahren, Kostenentscheidung, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Fahrerschutzversicherung, Treu und Glauben, Klauseln, Streitwert, Höchstrichterliche Rechtsprechung, Erstinstanzliche Feststellungen, Urteilsgründe, Zurückweisungsbeschluss, Erfolgsaussicht

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Urteil vom 29.03.2023; Aktenzeichen 13 O 556/22)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 29.03.2023, Az. 13 O 556/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.000,00 EUR festzusetzen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 07.09.2023.

 

Gründe

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 29.03.2023, Az. 13 O 556/22, offensichtlich im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Erfolgsaussicht fehlt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO weist der Senat die Klägerin auf die beabsichtigte Entscheidung hin und gibt ihr zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu und zur beabsichtigten Festsetzung des Berufungsstreitwerts.

I. Das Landgericht hat nach Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zutreffend entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aus der mit der Beklagten abgeschlossenen Fahrerschutzversicherung zusteht, da die streitgegenständliche Regelung in den Versicherungsbedingungen nicht unwirksam ist.

Der Senat nimmt zunächst vollumfänglich auf die überzeugenden Urteilsgründe (insb. LGU S. 5 ff.) Bezug. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich folgende, ergänzende Ausführungen veranlasst:

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die in Punkt A.4.1. der AKB (vgl. Anlage B 3) enthaltene Regelung, wonach Schmerzensgeld erst "bei einem stationären Krankenhausaufenthalt von mindestens 3 aufeinanderfolgenden Tagen innerhalb von 6 Monaten nach dem Unfall" geleistet wird, wirksam ist.

1. Entgegen der Ansicht der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 2 f.) handelt es sich vorliegend nicht um eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann.

Ein Überraschungseffekt im Sinne von § 305 c BGB kann sich dabei auch aus der Stellung der Klausel im Gesamtwerk der allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben, wenn diese in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2010, Az. XII ZR 189/08, Rn. 27, juris).

b) Dies zugrunde gelegt, ist die Regelung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.

Zwar ist der Berufungsbegründung noch zuzugestehen, dass die Regelung unter dem Punkt "Was ist versichert" aufgeführt wird und nicht erst unter dem Punkt A.4.8. der AKB, welcher regelt, wann der Versicherungsschutz nicht oder nur teilweise greift.

Allerdings folgt die in Streit stehende Regelung unmittelbar den Aufzählungspunkten zum umfassten Versicherungsschutz als direkte Einschränkung zum Aufzählungspunkt "Schmerzensgeld".

Bei aufmerksamer Durchsicht der umfassten Punkte wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Einschränkung folglich sofort in den Blick nehmen. Die vorliegende Platzierung ist zur Information des Versicherungsnehmers daher nach Auffassung des Senats sogar besser geeignet, als wenn dies in einem eigenen Punkt erfolgt wäre (wie hier zudem noch auf einer anderen Seite). Unabhängig davon, ob es sich bei der Regelung um einen Ausschluss oder eine Spezifizierung der Hauptleistungspflicht handelt, war diese jedenfalls nicht an einer Stelle platziert, an welcher der durchschnittliche Versicherungsnehmer sie nicht zu erwarten brauchte.

2. Die Klausel ist entgegen dem Berufungsvorbringen (vgl. S. 4 der Berufungsbegründung) auch nicht intransparent und mithin nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

a) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender von Allgemeinen Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so wei...

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