Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Zuständigkeit des FamG. Rechtsmittel gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft. Sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsmittel gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft durch das FamG ist die befristete Beschwerde nach § 621e ZPO.
2. Die Zuständigkeit des FamG nach § 1693 BGB umfasst alle Verfahren, in denen Eltern in der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert sind. Sie beschränkt sich nicht nur auf Fälle mit besonderer Dringlichkeit.
Normenkette
BGB § 1693; ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1, § 621e
Verfahrensgang
AG Bayreuth (Beschluss vom 13.12.2004; Aktenzeichen 53 F 1102/04) |
Tenor
1. Die befristete Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG - FamG - Bayreuth vom 13.12.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens sowie die den übrigen Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten.
3. Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1. Mit Beschluss vom 13.12.2004 ordnete das AG - FamG - Bayreuth für das Kind L., geboren 16.7.1987, gem. §§ 1693, 1909 BGB die Ergänzungspflegschaft an mit dem Wirkungskreis der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bzw. der Überprüfung des gezahlten Unterhalts ggü. den verfahrensbeteiligten Eltern. Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft wurde damit begründet, dass die Kindeseltern als Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge für das Kind L. bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nicht vertretungsbefugt seien. Gegen diesen ihr am 15.12.2004 zugestellten Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde vom 16.12.2004. Sie hält die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nicht mehr für gerechtfertigt, da nach ihrer Rechtsansicht lediglich eine Barunterhaltspflicht des Kindesvaters bestehe. Das Kind befinde sich in ihrer eigenen Obhut und sie als Kindesmutter könne daher den Barunterhalt für das Kind gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB vom Kindesvater einfordern. Zudem sei die örtliche Zuständigkeit des FamG H. gegeben, da das Kind dort seinen ersten Wohnsitz habe.
2.a) Gegen die Entscheidung des AG Bayreuth, mit der gem. §§ 1693, 1909 BGB i.V.m. § 3 Nr. 2a RPflG vom Rechtspfleger des AG - FamG - Bayreuth die Ergänzungspflegschaft angeordnet war, ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde statthaft, da die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für das minderjährige Kind L. eine im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung über einen Teilbereich der elterlichen Sorge, also eine Familiensache i.S.v. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, darstellt und förmlich das FamG entschieden hat. Das Rechtsmittelverfahren richtet sich daher nicht nach §§ 19 f. FGG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, sondern nach den spezielleren und damit vorgehenden Vorschriften der §§ 64 Abs. 3 FGG, 621e ZPO, 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG.
Für die befristete Beschwerde gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für das minderjährige Kind wegen rechtlicher Verhinderung seiner Eltern ist jeder Elternteil im eigenen Namen beschwerdeberechtigt, denn die Eltern wären, wenn die Ergänzungspflegschaft zu Unrecht angeordnet wäre, in den ihnen nach §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB zustehenden Rechten zur Vermögenssorge und Vertretung des Kindes beeinträchtigt (BayObLG FamRZ 1989, 1342 f.; NJWE-FER 2000, 177 f.).
Zwar kann die befristete Beschwerde des § 621e ZPO nur beim Beschwerdegericht selbst eingelegt werden (§ 621e Abs. 3 S. 1 ZPO). Dies schadet aber dann nicht, wenn - wie hier - die Beschwerdeschrift noch innerhalb der Notfrist von einem Monat ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§§ 621e Abs. 3 S. 2, 517 ZPO) dem Beschwerdegericht vorgelegt wird (BGH FamRZ 1978, 232; FamRZ 1979, 30). Da die Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 15.12.2004 erfolgt war und die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 16.12.2004 bereits am 22.12.2004 zur Beschwerdevorlage gebracht worden war, ist die Notfrist von einem Monat gewahrt.
b) Die damit zulässige befristete Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Gemäß § 621e Abs. 4 ZPO kann die Beschwerde nicht auf die fehlende Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges gestützt werden. Unabhängig davon gilt Folgendes:
Das AG - FamG - Bayreuth war für die Entscheidung örtlich zuständig. Gemäß § 621 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. §§ 64 Abs. 3 S. 2, 37 Abs. 1 S. 2, 36 Abs. 1 FGG ist örtlich zuständig das FamG, in dessen Bezirk der Minderjährige zu dem Zeitpunkt, in dem die Sache anhängig wird, seinen Wohnsitz hat (BGH FamRZ 1994, 299; OLG Bamberg v. 4.1.2000 - 7 UF 137/99, OLGReport Bamberg 2001, 146 = FamRZ 2001, 777). Da hier die Minderjährige mit Zustimmung ihrer beiden sorgeberechtigten Eltern bei der Großmutter mütterlicherseits auf unbestimmte Zeit seit Oktober 2003 in B. wohnt, wurde dort wirksam ein Wohnsitz des Kindes im Sinne der §§ 7, 8 und 11 BGB durch eine entsprechende elterliche Bestimmung begründet.
Das FamG und nicht etwa ...