Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretungsmacht der Eltern bei Erbauseinandersetzung zwischen ihren Kindern: Ergänzungspflegschaft. Erbauseinandersetzung zwischen Kindern. Minderjähriger Miterbe. Ergänzungspflegschaft. Vertretungsmacht der Eltern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vertretungsmacht der Kindeseltern eines minderjährigen Miterben ist bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn es sich um ein Rechtsgeschäft zwischen dem minderjährigen Kind und einem Verwandten der gesetzlichen Vertreter in gerader Linie handelt.

2. Der Feststellung eines konkreten Interessenwiderstreits bedarf es in diesem Fall nicht.

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 2 S. 1, §§ 1693, 1697, 1795 Abs. 1 Nr. 1, § 1909 Abs. 1 S. 1; ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1, § 621e Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Mainz (Beschluss vom 19.01.2006; Aktenzeichen 34 F 16/06)

 

Tenor

1. Die befristete Beschwerde der Eltern gegen den Beschluss des AG - FamG - Mainz vom 19.1.2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Eltern.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das minderjährige Kind ist neben seiner bereits volljährigen Schwester A. (geb. 13.3.1987) Miterbe zu 1/2 nach seinem Großvater väterlicherseits W.S. (geb. 22.10.1928; gest. zwischen dem 27. und 28.5.2005; Erbschein des AG Düsseldorf vom 4.11.2005 - 93a VI 386/05; Bl. 2 der Beiakte [I] AG Mainz - 34 F 366/05). Der Wert des Nachlasses zum Todestag beläuft sich ausweislich der Nachlassaufstellung (Bl. 14 ff. der Beiakte I) auf 35.710,02 EUR bei Nachlassverbindlichkeiten i.H.v. 15.036,23 EUR.

Der Kindesvater, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet wurde (Beschluss des AG Mainz v. 22.3.2005 280 IN 64/05 -; Bl. 2 der Beiakte [II] des AG Mainz - 33 F 118/05 -), ist Hauptschuldner einer vom Erblasser am 4.12.1986 bis zum Betrag von 15.000 DM ggü. der Dresdner Bank AG in Düsseldorf übernommenen Höchstbetragsbürgschaft (Bl. 12 f. der Beiakte I). Die Gläubigerbank hat mit Schreiben vom 31.1.2006 (Bl. 12 GA) erklärt, dass sie keine Rechte mehr aus der Bürgschaft ggü. den Erben geltend machen werde.

Das FamG hat mit Beschluss vom 19.1.2006 (Bl. 1-56A) festgestellt, dass die Eltern in der Erbangelegenheit gesetzlich an der Vertretung des Kindes verhindert sind und es hat in diesem Umfang eine Pflegschaft angeordnet; den Ergänzungspfleger hat es ausgewählt (Wirkungskreis: Vertretung in der Erbangelegenheit, insb. Aufhebung der Gemeinschaft), dessen Bestellung aber dem VormG überlassen. Hiergegen richtet sich die am 31.1.2006 beim AG eingegangene Beschwerde der Kindeseltern (Bl. 6 f. GA), die die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehren.

Der Senat hat das zuständige Jugendamt angehört (Bl. 13 und 20 GA).

II. Das zulässige Rechtsmittel der Eltern bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Gegen die vom - zur Entscheidung berufenen (§ 3 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 14 RPflG) - Rechtspfleger des AG verfügte Anordnung der Ergänzungspflegschaft einschließlich der Auswahl des Ergänzungspflegers (§ 1909 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 1693, 1697 BGB) ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde gem. § 621e Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 64 Abs. 3 FGG statthaft. Die hier vom FamG getroffene Endentscheidung betrifft einen Teilbereich der elterlichen Sorge i.S.d. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. OLG Bamberg v. 12.1.2005 - 2 UF 9/05, OLGReport Bamberg 2005, 331 = FamRZ 2005, 1500 f.; OLG Stuttgart v. 16.12.1998 - 18 WF 562/98, OLGReport Stuttgart 1999, 205 = FamRZ 1999, 1601 f.; Zöller/Philippi, 23. Aufl. 2002, § 621e Rz. 6 f.). Es gilt ohnehin - ungeachtet der streitigen (einer Überprüfung im Beschwerderechtszug gem. § 621e Abs. 4 S. 1 ZPO auch entzogenen) Frage nach der Abgrenzung der Zuständigkeit des VormG (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1697 Rz. 1) - das Prinzip der formellen Anknüpfung (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVG).

Die befristete Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die durch die angefochtene Entscheidung beschwerten Kindeseltern sind - im Blick auf ihr im Grundsatz umfassendes Recht zur elterlichen Sorge (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG; §§ 1626, 1629 Abs. 1 BGB) - im eigenen Namen zur Beschwerde berechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG; vgl. OLG Bamberg v. 12.1.2005 - 2 UF 9/05, OLGReport Bamberg 2005, 331 = FamRZ 2005, 1500 f.). Das beim AG eingelegte Rechtsmittel ist innerhalb der Notfrist gem. § 621e Abs. 3 i.V.m. § 517 ZPO dem Beschwerdegericht vorgelegt worden (vgl. OLG Bamberg v. 12.1.2005 - 2 UF 9/05, OLGReport Bamberg 2005, 331 = FamRZ 2005, 1500 f.).

2. Die Eltern sind im Zusammenhang mit der Erbengemeinschaft verhindert, die elterliche Sorge auszuüben (§ 1693 BGB).

a) Es kann dahinstehen, ob - wenn auch nicht mehr in Ansehung der durch die Verzichtserklärung der Gläubigerbank wohl hinfälligen Bürgschaftsverpflichtung, so doch möglicherweise im Blick auf die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses einschließlich der Geltendmachung etwaiger Ersatz- bzw. Erstattungsansprüche (auch) gegen die Kindeseltern - die Gefahr eines konkr...

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