Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewährungswiderruf durch Beschwerdegericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit dem Übergang der Untersuchungshaft in Strafhaft nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils wird Strafhaft im Sinne des § 462 a I StPO vollzogen. Mit Eintritt der Rechtskraft geht deshalb die Zuständigkeit für den Bewährungswiderruf vom Gericht des ersten Rechtszugs auf die Strafvollstreckungskammer über. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges davor schon mit dem Bewährungswiderruf befasst war (u.a. Anschluss an BGH Beschluss vom 11.03.2009 - 2 Ars 83/09 NStZ-RR 2009, 187; KG NStZ 2007, 422 f. und OLG Jena, Beschluss vom 30.09.2011 - 1 Ws 410/11 [bei [...]] = NStZ-RR 2012, 94 [Ls 1]).

2. Hat in einem solchen Fall gleichwohl das Gericht des ersten Rechtszuges entschieden, entscheidet das Beschwerdegericht auf die sofortige Beschwerde hin nach § 309 II StPO jedenfalls dann in der Sache selbst über den Widerruf, wenn es auch über sofortige Beschwerden gegen die Entscheidungen der örtlich und sachlich zuständigen Strafvollstreckungskammer zu befinden hat und die angefochtene Entscheidung nicht auf einem Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG beruht (Abgrenzung zu KG NStZ 2007, 422 f. und OLG Hamm Beschluss vom 04.12.2012 - III - 2 Ws 372/12 = Beck RS 2013, 00747 einerseits sowie OLG Jena, Beschluss vom 30.09.2011 - 1 Ws 410/11 [bei [...]] = NStZ-RR 2012, 94 [Ls 2] andererseits).

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 S. 2; StPO § 309 Abs. 2, § 453 Abs. 2 S. 3, § 462 a Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 4 S. 1

 

Tatbestand

Die Strafkammer des LG E. verhängte gegen den Bf. mit Urteil vom 25.05.2011, rechtskräftig seit 25.05.2011, wegen unerlaubten Handeltreibens mit BtM in nicht geringer Menge in 2 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung sie zur Bewährung aussetzte. Im Rahmen der Bewährungsauflagen wurde dem Bf. aufgegeben, binnen 12 Monaten 400 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Diese Auflage hatte der Bf. bereits am 23.11.2011 in vollem Umfang erfüllt. Am 18.05.2012 wurde im Rahmen der Bewährungsüberwachung bekannt, dass gegen den Bf. in anderer Sache Haftbefehl ergangen ist; eine Haftbefehlsabschrift gelangte am 24.05.2012 zum Bewährungsheft. Im Einverständnis mit der StA verfügte der Kammervorsitzende, dass zunächst der weitere Fortgang des neuen Verfahrens abgewartet werden solle. Am 17.07.2012 gelangte die Anklageschrift zum Bewährungsheft, nach der dem Bf. unerlaubtes Handeltreiben mit BtM in nicht geringer Menge in 2 Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit BtM zur Last gelegt wurde. Am 17.10.2012 verurteilte die Strafkammer den Bf. wegen unerlaubten Handeltreibens mit BtM in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Der Bf. befand sich während der Hauptverhandlung und zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils in Untersuchungshaft in der JVA F. Das Urteil wurde am Tag seiner Verkündung rechtskräftig. Seit dem 17.10.2012 wird gegen den Bf. in der JVA F. die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des LG E. vom 17.10.2012 vollstreckt. Unter dem 26.10.2012 beantragte die StA bei der Strafkammer des LG E., die Aussetzung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des LG E. vom 25.05.2011 gemäß § 56 f I Nr. 1 StGB zu widerrufen. Nach Anhörung des zu diesem Zweck aus der JVA F. vorgeführten Bf. am 21.11.2012 widerrief die Strafkammer des LG E. mit Beschluss vom 03.12.2012 die mit Urteil vom 25.05.2011 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung unter Anrechnung der abgeleisteten 400 Stunden gemeinnützige Arbeit auf die Strafe dergestalt, dass 3 Monate der Strafe als verbüßt gelten. Auf die gegen den Beschluss vom 03.12.2012 fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Bf. hat das OLG zwar die angegriffene Entscheidung der Strafkammer des LG E. aufgehoben, jedoch zugleich die dem Bf. mit Urteil vom 25.05.2011 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung mit der Maßgabe widerrufen, dass aufgrund der vom Bf. bereits abgeleisteten gemeinnützigen Arbeit 3 Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als verbüßt gelten.

 

Entscheidungsgründe

1. Die nach § 453 II 3 StPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 03.12.2012. Die Strafkammer des LG E. war zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses weder örtlich noch sachlich für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zuständig. Wird gegen einen Verurteilten Freiheitsstrafe vollstreckt, dann ist für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 462 a I 1 StPO die StVK zuständig, in deren Bezirk zum Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges schon mit der Entscheidung über den Widerruf befasst war (KG NStZ 2007, 422 f.; OLG Jena, Beschluss vom 30.09.2011 - 1 Ws 410/11 [bei [...]]). Zwar war die Strafkammer spätestens mit Übersendung des Haftbefehls bzw. der Anklageschrift zum Bewährungsheft mi...

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