Entscheidungsstichwort (Thema)
Prognoseentscheidung bei Bewährungswiderruf wegen neuer Straftaten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Beginn einer nach § 56 f II 1 Nr. 2 StGB verlängerten Bewährungszeit schließt sich rechnerisch auch dann unmittelbar an das Ende der zunächst bestimmten Bewährungszeit an, wenn diese im Zeitpunkt der Verlängerung bereits abgelaufen war (u.a. Anschluss an OLG Bamberg OLGSt StGB § 56f Nr. 51 = NStZ-RR 2010, 60 [Ls]; KG, Beschluss vom 12.05.2009 - 1 AR 500/09 [bei [...]]; OLG Jena VRS 117 [2009], 344 = BeckRS 2009, 86296; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 127, jeweils m.w.N.).
2. Auch dann, wenn sich die verlängerte Bewährungszeit unmittelbar an die ursprüngliche anschließt, ist ein Widerruf nach § 56 f I 1 Nr. 1 StGB wegen Fehlens der formellen Voraussetzungen gleichwohl grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die neue Tat erst nach Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit und noch vor der Entscheidung über ihre (nochmalige) Verlängerung begangen wurde (u.a. Anschluss an KG, Beschluss vom 12.05.2009 - 1 AR 500/09 [bei [...]]). Ein Bewährungswiderruf kommt jedoch in Betracht, wenn jedenfalls ein Teilakt der neuen Straftat in den ursprünglichen Bewährungszeitraum fällt.
3. Die vor einem Widerruf nach § 56 f I 1 Nr. 1 StGB gebotene Prognose hat sich maßgeblich daran zu orientieren, dass ein Widerruf der Strafaussetzung nicht der Ahndung von Verfehlungen während der Bewährungszeit, sondern allein der Korrektur der ursprünglichen Prognose dient. Hieraus folgt, dass ein Widerruf nach umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls stets nur wegen solcher neuer Straftaten geboten ist, in denen angesichts der aktuellen Lebensumstände des Verurteilten - also auch unter Berücksichtigung etwaiger positiver Veränderungen nach der Anlasstat - zum Ausdruck kommt, dass der Verurteilte seine kriminelle Lebensführung nicht geändert hat.
Normenkette
StGB § 56f
Tatbestand
Mit seit dem 03.02.2010 rechtskräftigen Urteil des LG B. vom 26.01.2010 wurde der Verurteilte u.a. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 7 Fällen nach vorausgehendem Untersuchungshaftvollzug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilte wurde angewiesen, jeden Wechsel seines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltsortes sowie seiner Arbeitsstelle unverzüglich und unaufgefordert dem Gericht anzuzeigen und sich nachhaltig um eine versicherungspflichtige Arbeit zu bemühen und jede zumutbare Arbeit anzunehmen. Ihm wurde auferlegt, binnen einer Frist von 6 Monaten ab Rechtskraft des Urteils 600 Stunden sozialer Hilfsdienste nach näherer Weisung des Bewährungshelfers abzuleisten. Die Bewährungszeit wurde auf 3 Jahre festgesetzt. Mit Beschluss des LG vom 26.07.2010 wurde der Bewährungsbeschluss vom 26.01.2010 dahingehend abgeändert, dass der Verurteilte anstelle der 600 Stunden sozialer Hilfsdienste eine Geldauflage in Höhe von 2.000 € an eine gemeinnützige Einrichtung zu leisten hat, zahlbar in monatlichen Raten zu je 100 €. Mit Schreiben vom 17.01.2012 teilte die Einrichtung mit, dass Zahlungen des Verurteilten in Höhe von 1.500 € eingegangen seien; weitere Zahlungen erfolgten zunächst nicht. Bei dem Versuch, den Verurteilten an der von ihm über seine Bewährungshelferin mitgeteilten neuen Anschrift in der Schweiz zur Zahlung zu mahnen, wurde festgestellt, dass er an der von ihm angegebenen Adresse nicht mehr wohnhaft, sondern unbekannt verzogen war. Die StA beantragte daraufhin den Widerruf der Strafaussetzung. Unter dem 25.07.2012 erließ das LG Sicherungshaftbefehl gem. § 453 c StPO, aufgrund dessen der Verurteilte am 05.09.2013 festgenommen wurde. Nachdem der Verurteilte den noch ausstehenden Restbetrag von 500 € an die gemeinnützige Einrichtung bezahlt hatte, nahm die StA unter dem 31.10.2013 ihren auf Auflagen- und Weisungsverstöße gestützten Widerrufsantrag zurück. Mit Beschluss vom 06.11.2013 wurde der Sicherungshaftbefehl vom 25.07.2012 aufgehoben und zugleich die Bewährungszeit von 3 Jahren um weitere 2 Jahre bis einschließlich 02.02.2015 verlängert. Mit seit dem 06.08.2014 rechtskräftigem Urteil des AG B. vom 03.03.2013 wurde der Verurteilte sodann wegen Betruges in 2 Fällen, begangen vom 14.11.2011 bis 19.12.2011 sowie vom 22.11.2012 bis 15.05.2013, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt. Die vorgenannte Freiheitsstrafe verbüßte der Verurteilte bis zur Hälfte am 08.10.2014 in der JVA C., nachdem zunächst von 05.09.2013 bis 17.09.2013 in der vorliegenden Sache Sicherungshaft, danach vom 18.09.2013 bis 08.11.2013 eine Ersatzfreiheitstrafe und daran anschließend bis zur Rechtskraft der Anlassverurteilung Untersuchungshaft vollzogen worden war. Mit Beschluss der StVK des LG C. vom 23.09.2014, rechtskräftig seit 03.10.2014, wurde die Vollstreckung der zweiten Strafhälfte der mit Urteil des AG vom 03.03.2013 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten zur Bewährung ausgesetzt. Mit Verfügung vom 19.08.2014 hatte die StA wegen de...