Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 22.09.2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer am 18.08.2009 als Führerin eines Pkw begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage nach länger als einer Sekunde dauernder Rotlichtphase zu einer Geldbuße von 200 € verurteilt und gegen sie ein - mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes - Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts; sie wendet sich insbesondere gegen die vorgenommene Beweiswürdigung des Tatgerichts.
II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Betroffenen erweist sich - zumindest vorläufig - als erfolgreich, da die Beweiswürdigung des Tatgerichts lückenhaft ist.
1. Auf die von der Betroffenen zulässig erhobene Rechtsbeschwerde ist von Amts wegen durch Freibeweis zu prüfen, ob das Verfahrenshindernis eingetretener Verjährung besteht (Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. Einleitung Rn. 150 ff., § 337 Rn. 6). Vorliegend ist durch die Anordnung der Übersendung des anthropologischen Sachverständigengutachtens an den Verteidiger der Betroffenen zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen am 08.07.2010 die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG wirksam unterbrochen worden.
a) Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt 3 Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach 6 Monate (§§ 24, 26 Abs. 3 StVG).
b) Die verfahrensgegenständliche Ordnungswidrigkeit wurde am 18.08.2009 begangen. Vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist wurde die Verjährung zuletzt am 28.10.2009 durch den Erlass des am 30.10.2009 ordnungsgemäß zugestellten Bußgeldbescheides der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen.
c) Die mit dem Erlass des Bußgeldbescheides am 28.10.2009 in Lauf gesetzte, nunmehr sechsmonatige Verjährungsfrist wurde sodann erstmals nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG am 14.12.2009 durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 OWiG unterbrochen. Erneut wurde die Verjährungsfrist unterbrochen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG am 15.12.2009 mit der (erstmaligen) Terminsbestimmung und nochmals nach § 33 Abs. 1 Satz Nr. 2 am 03.02.2010 durch die im Beschlusswege erfolgte gerichtliche Beauftragung eines anthropologischen Sachverständigen zur Anfertigung eines Identitätsgutachtens.
d) Die hierdurch nach § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Lauf gesetzte Verjährungsfrist von 6 Monaten wurde durch die Anordnung der Übersendung des schriftlichen Sachverständigengutachtens an den Verteidiger der Betroffenen zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen am 08.07.2010 nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG wiederum unterbrochen. Denn hierin liegt eine Anordnung der richterlichen Vernehmung der Betroffenen im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG. Der Begriff der Vernehmung ist im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nicht bestimmt, sondern gemäß § 46 Abs. 1 OWiG den §§ 136, 163 a StPO zu entnehmen (Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 3. Aufl. § 33 Rn. 10). Nach § 163 a Abs. 1 Satz 2 StPO liegt eine Vernehmung in einfachen Sachen, um die es sich in Bußgeldsachen im Regelfall handelt, vor, wenn dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, sich zu äußern (OLG Oldenburg NJW 1970, 719 f.; OLG Brandenburg NStZ-RR 1999, 279 f.; Rebmann/Roth/Herrmann aaO.; Göhler OWiG 15. Aufl. § 33 Rn. 10). Auch sind die bei der Vernehmung als Mindestvoraussetzung gemäß §§ 46, 55 i.V.m. §§ 163 a, 136, 136 a StPO zu wahrenden Förmlichkeiten beachtet. Die Betroffene wurde gemäß § 136 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in der Hauptverhandlung am 03.02.2010 gemäß § 136 StPO belehrt.
2. Die Beweiswürdigung des Tatgerichtes ist fehlerhaft, da sie lückenhaft ist. Hierzu hat die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Antragsschrift vom 23.12.2010, mit welcher sie beantragt, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, ausgeführt:
"Mit der zulässigen Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung des formellen und des materiellen Rechts.
Ihr ist bereits mit der Sachrüge ein - vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen, so dass es auf die (nicht ausgeführte) Formalrüge nicht (mehr) ankommt.
Die Urteilsgründe sind hinsichtlich der Feststellung der Fahreridentität lückenhaft (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG).
Zwar hat allein der Tatrichter zu entscheiden, ob im Rahmen der Fahreridentifizierung das Messfoto die Feststellung erlaubt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist. Ob ein solches Foto jedoch ein geeignetes Beweismittel is...