Verfahrensgang
AG Garmisch-Partenkirchen (Entscheidung vom 03.11.2005) |
Gründe
I. Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verurteilte den Betroffenen am 03.11.2005 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um mindestens 32 km/h zu 100,-- EUR Geldbuße und 1 Monat Fahrverbot. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde; er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II. Die Rechtsbeschwerde hat mit der sinngemäß auf § 338 Nr. 5 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG gestützten Formrüge zumindest vorläufigen Erfolg.
Dieser Formrüge liegt nach dem jedenfalls im Wesentlichen durch die Prozessakten bewiesenen Vortrag der Verteidigung folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Betroffene war mit seinem Verteidiger zu der auf 03.11.2005, 8.45 Uhr, anberaumten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen erschienen. Gegen 9.00 Uhr wurde die Verhandlung ohne Bestimmung eines Fortsetzungstermins unterbrochen. Gegen 9.30 Uhr wurde in der Kanzlei des Verteidigers von Seiten des Gerichts angerufen; es wurde mitgeteilt, die Hauptverhandlung werde um 12.45 Uhr fortgesetzt. Zu diesem Fortsetzungstermin erschien der Betroffene nicht. Die Hauptverhandlung wurde in Anwesenheit des Verteidigers des Betroffenen mit der Vernehmung des erst während der Sitzungsunterbrechung geladenen Zeugen PHK H., des Messbeamten in dieser Sache, fortgesetzt und mit der Verkündung des angefochtenen Urteils abgeschlossen.
Diese Vorgehensweise des Amtsgerichts war rechtsfehlerhaft.
Nach § 73 Abs. 1 OWiG ist der Betroffene zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. In seiner Abwesenheit darf zur Sache nur dann verhandelt werden, wenn er auf seinen Antrag von dieser Präsenzpflicht durch das Gericht entbunden worden ist; dies gilt auch für einen Fortsetzungstermin und selbst dann, wenn dieser nur wenige Stunden nach dem ersten Termin stattfindet (§ 74 Abs. 1 OWiG). Bleibt der Betroffene einem Fortsetzungstermin, der ihm ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde, unentschuldigt fern, ist sein Einspruch zwingend nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen, auch wenn bis dahin bereits zur Sache verhandelt wurde. §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 2 OWiG verdrängen insoweit als Spezialvorschriften für das Bußgeldverfahren die Regelungen der §§ 230 ff. StPO, hier insbesondere § 231 Abs. 2 StPO (vgl. Göhler OWiG 14. Auflage § 74 Rn. 19, 28 aE und KK - Senge OWiG 2. A. § 73 Rn. 5 ff., jew. mit weiteren Nachweisen).
Nach den dem Rechtsbeschwerdegericht vorgelegten Verfahrensakten, insbesondere ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls, ist der Betroffene nicht von seiner Präsenzpflicht entbunden worden und hatte auch keinen dahingehenden Antrag gestellt. Nach den richterlichen Verfügungen zur Anberaumung der Hauptverhandlungstermine am 18.10. und 03.11.2005 (Blatt 14, 17 der Akten) hatte das Amtsgericht sogar ausdrücklich das persönliche Erscheinen des Betroffenen für die Hauptverhandlung angeordnet - und dementsprechend Terminsladung mit Belehrung gemäß § 74 Abs. 1, Abs. 2 StPO.
Die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 03.11.2005 erfolgte damit in vorschriftswidriger Abwesenheit einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt (§ 338 Nr. 5 StPO in Verbindung mit §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 73, 74 OWiG). Da dieser Verfahrensverstoß einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung betrifft, nämlich einen für das angefochtene Urteil maßgeblichen Teil der Beweisaufnahme, erübrigt sich die Prüfung der Beruhensfrage bei diesem absoluten Revisionsgrund (vgl. Meyer-Goßner StPO 48. Auflage § 338 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen).
Das angefochtene Urteil war deshalb auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit den Feststellungen aufzuheben (§§ 337, 338 Nr. 5, 353 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
Die detaillierte Erörterung der weiteren Rechtsmittelrügen war folglich nicht mehr veranlasst.
Nach § 79 Abs. 6 OWiG war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen zurückzuverweisen.
Fundstellen