Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktiver Nutzungszwang zur Einreichung elektronischer Dokumente für die Staatskasse; keine Wiedereinsetzung bei Ablauf einer Ausschlussfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Für den Freistaat Bayern als beschwerdeführende Staatskasse gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 3 ZPO gilt der aktive Nutzungszwang gem. § 130d ZPO.
2. Bezirksrevisoren als Vertreter des Freistaates Bayern müssen eine VKH-Beschwerde als elektronisches Dokument beim Empfangsgericht einreichen.
3. In die abgelaufene Ausschlussfrist des § 127 Abs. 3 S. 4 und 5 ZPO kann keine Wiedereinsetzung gewährt werden.
Normenkette
FamFG § 113 Abs. 1; ZPO § 127 Abs. 3, § 130d
Verfahrensgang
AG Aschaffenburg (Aktenzeichen 1 F 686/21) |
Tenor
1. Der Antrag der Staatskasse (Freistaat Bayern) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Beschwerdeeinlegungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige Beschwerde der Staatskasse (Freistaat Bayern) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aschaffenburg vom 17.05.2022, Az. 1 F 686/21, wird als unzulässig verworfen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 17.05.2022 hat das Amtsgericht Aschaffenburg der Antragsgegnerin für ihr Ehescheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung einer Zahlungsverpflichtung bewilligt und ihr die Rechtsanwaltskanzlei ... als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Der Beschluss ist am 18.05.2022 auf die Geschäftsstelle gelangt.
Hiergegen hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Aschaffenburg mit Schriftsatz vom 30.05.2022 Beschwerde nach § 127 Abs. 3 ZPO eingelegt mit dem Ziel, einen Einmalbetrag in Höhe der auf die Partei entfallenden Verfahrenskosten anzuordnen, welchen die Antragsgegnerin aus der Verwertung ihres hälftigen Miteigentumsanteils am früheren Wohnhaus der Familie, dem Anwesen X-Straße xx in K., aufbringen solle. Die Beschwerdeschrift ist in Papierform zur Akte gelangt, indem die Bezirksrevisorin nach Einsichtnahme in das Verfahrenskostenhilfeheft dieses samt Beschwerdeschrift vom 30.05.2022 an das Amtsgericht zurückgeleitet hat.
Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 12.08.2022 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt, wo es am 24.08.2022 eingegangen ist.
Die Bezirksrevisorin ist mit Verfügung der Einzelrichterin vom 20.10.2022 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels wegen Nichtwahrung der Pflicht zur elektronischen Einreichung hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 03.11.2022, das als elektronisches Dokument übermittelt worden ist, hat sie hierzu Stellung genommen. Sie vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass § 130d ZPO auf Bezirksrevisoren nicht anwendbar sei, da diese keine Behörde im Sinne dieser Vorschrift seien. Auch als Vertreter der Staatskasse seien sie ein Organ der Justiz und keine außenstehende Behörde. Außerdem hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gleichzeitig erneut Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 17.05.2022 eingelegt. Auf das Schreiben wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 14.11.2022 hat die Einzelrichterin das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die sofortige Beschwerde der Staatskasse ist als unzulässig zu verwerfen, da innerhalb der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde keine formgerechte Beschwerde eingegangen ist, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 3, 569 Abs. 2, 130d S. 1 ZPO. Der Staatskasse kann auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdeeinlegungsfrist eingeräumt werden, da die gesonderte Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde durch die Staatskasse aus § 127 Abs. 3 S. 4 und 5 ZPO von drei Monaten ab Übermittlung des angegriffenen Beschlusses an die Geschäftsstelle am 18.08.2022 abgelaufen ist und eine Wiedereinsetzung insoweit ausscheidet.
1. Auf die Frage, ob die Bezirksrevisorin als Behörde i.S.d. § 130d ZPO anzusehen ist, kommt es ebenso wenig an, wie auf ihre An- oder Eingliederung in die Justiz und ihre Dienststellung. Denn Beschwerdeführer ist der Freistaat Bayern, der von der Bezirksrevisorin vertreten wird. Maßgeblich ist daher auf den Freistaat Bayern abzustellen und nicht auf die Bezirksrevisorin.
Der Freistaat Bayern ist gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 3 ZPO als "Staatskasse" beschwerdeberechtigt, wenn Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, ohne dass Monatsraten oder aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Dabei wird er nach § 5 Abs. 1 Nummer 7 lit. e der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern vom 26.10.2021 (Vertretungsverordnung - VertV) und Abschnitt A. 3. der Gemeinsamen Bekanntmachung zum Vollzug der Vertretungsverordnung (VollzBekVertV) durch den Bezirksrevisor vertreten. Der Bezirksrevisor ist insoweit innerorganisatorisch dem Freistaat Bayern zugeordnet und tritt als für diesen Handelnder auf.
Für den Freistaat Bayern als juri...