Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsordnungswidrigkeit
Verfahrensgang
AG Bayreuth (Urteil vom 23.01.2006) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bayreuth – Zweigstelle Pegnitz – vom 23. Januar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgerichts Bayreuth – Zweigstelle Pegnitz – zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 23.01.2006 wegen einer „Verkehrsordnungswidrigkeit des Führens eines Fahrzeugs, obwohl die Besetzung nicht vorschriftsmäßig war, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich litt”, zu einer Geldbuße in Höhe von 50,00 EUR.
Zum Sachverhalt enthält das Urteil folgende Feststellungen:
„Der Betroffene befuhr am 20.09.2005 um 17.35 Uhr mit einem Lkw mit Anhänger die Bundesautobahn A9 im Bereich von P. in nördlicher Fahrtrichtung. Zum Zeitpunkt der Fahrt hatte der Betroffene kein Schuhwerk angezogen. Er fuhr mit Socken.”
Zur rechtlichen Würdigung wird wie folgt ausgeführt:
„Durch sein Verhalten hat der Betroffene eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1, 49 StVZO i.V.m. § 24 StVG begangen. Zum sicheren Führen eines Fahrzeugs, insbesondere eines Lkw's mit Anhänger, gehört der Umstand, dass ein Betroffener jederzeit mit den vorhandenen Pedalen entsprechend reagieren kann, ohne dass die Gefahr des Abrutschens besteht. Dies ist nur gewährleistet bei festem Schuhwerk. Beim bloßen Tragen von Socken, insbesondere dann, wenn ein Betroffener noch an den Folgen einer Verletzung leidet, ist nicht geeignet, eine sichere Bedienung der Pedale zu gewährleisten, vgl. auch § 44 Abs. 2 UVV ‚Fahrzeuge’”.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Die mit Beschluss des Einzelrichters vom 15.11.2006 gem. § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr.1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassene Rechtsbeschwerde ist begründet. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen nicht. Das bloße Fahren ohne geeignetes Schuhwerk ist – jedenfalls bei einer nicht dem Anwendungsbereich des § 209 SGB VII unterfallenden Fahrt – weder nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO (das Amtsgericht führt fälschlicherweise §§ 23, 49 StVZO an) noch nach anderweitigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts mit Bußgeld sanktioniert.
a) Dem Amtsgericht ist allerdings insoweit beizupflichten, als es mit den Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers unvereinbar ist, ein Kraftfahrzeug ohne (oder mit hierfür ungeeignetem) Schuhwerk zu führen. Da wesentliche Fahrzeugfunktionen über Pedale mit Fußkontakt gesteuert werden, kann das Fahren ohne (oder mit ungeeignetem) Schuhwerk infolge einer dadurch bedingten Fehlbedienung der Pedale oder eines Abrutschens von den Pedalen mit erheblichen Risiken verbunden sein. Wird dadurch ein von der Rechtsordnung missbilligter Erfolg herbeigeführt, insbesondere ein Dritter geschädigt, gefährdet oder auch nur belästigt im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO, kann der Fahrzeugführer – über die zivilrechtliche Haftung für einen dadurch verursachten Schaden hinaus (vgl. BGH VM 57,32) – auch strafrechtlich oder bußgeldrechtlich verantwortlich sein.
Ein solcher „Erfolg” ist nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht eingetreten. Der Betroffene könnte deshalb nur dann bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sein Verhalten über die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 1 StVO hinaus auch gegen eine bußgeldbewehrte Verhaltensvorschrift verstoßen hätte. Dies ist jedoch nach den bisherigen Feststellungen nicht der Fall.
b) Die insoweit maßgeblichen verkehrsrechtlichen Regelungswerke (StVG, StVO, StVZO, FeV) enthalten keine (ausdrückliche) Bestimmung, die dem Fahrzeugführer das Tragen bestimmten Schuhwerks vorschreiben oder verbieten.
(1) Das Amtsgericht stützt die Verurteilung des Betroffenen auf § 23 Abs. 1 StVO, ohne zwischen Satz 1 und Satz 2 dieser Vorschrift zu differenzieren, wobei ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO von vornherein nicht in Betracht kommt, da eine Beeinträchtigung der Sicht oder des Gehörs des Fahrzeugführers nicht in Rede steht. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO muss der Fahrzeugführer dafür sorgen, dass die Ladung und die Besetzung des Fahrzeugs vorschriftsmäßig sind und die Verkehrssicherheit durch Ladung und/oder Besetzung nicht beeinträchtigt wird. Nachdem die Ausrüstung des Fahrzeugs und die Kleidung des Fahrers schon begrifflich nicht zur Ladung gehören (Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 22 StVO Rn. 2), rechnet das Amtsgericht, ohne dies auszuführen, den Betroffenen als Fahrer offensichtlich zur Fahrzeugbesetzung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Soweit § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO dem Fahrzeugführer die Verantwortlichkeit für die Besetzung des Fahrzeugs auferlegt, können damit nur die Personen gemeint sein, die sich neben dem Fahrer noch...