Entscheidungsstichwort (Thema)
Bußgeldverfahren. Verkehrsordnungswidrigkeit. Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Urteilsgründe. Bedienungsanleitung. Geschwindigkeitsmessung. Messbeamter. Messvorgang. Messverfahren. Messergebnis. standardisiert. Beweiswürdigung. lückenhaft. Fotodokumentation. Einseitensensor. ES3.0. WLAN-Kamera. Zusatzfotoeinrichtung. Geschwindigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Von einem im standardisierten Messverfahren gewonnenen Messergebnis kann auch bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem sog. Einseitensensor vom Typ 'ES3.0' grundsätzlich nur bei Einhaltung der in der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers enthaltenen Vorgaben ausgegangen werden.
2. Eine von der Bedienungsanleitung relevante Abweichung liegt bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem sog. Einseitensensor vom Typ 'ES3.0' vor, wenn die gerätespezifische Fotodokumentation der Messung allein durch eine funkgesteuerte, jedoch ungeeichte Zusatzfotoeinrichtung und nicht auch durch die nach der Bedienungsanleitung vorgesehenen eichpflichtigen und mittels Kabel mit der Rechnereinheit verbundenen Fotoeinrichtungen erfolgt.
Normenkette
StVG § 25 Abs. 1 S. 1; StPO § 267 Abs. 1
Tatbestand
Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h zu einer Geldbuße von 160 € verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr., mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, erwies sich als erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen
Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich - jedenfalls vorläufig - als erfolgreich, da die Urteilsgründe lückenhaft sind (§§ 267 I, 337 StPO i.V.m. §§ 71 I, 79 III 1 OWiG). Sie genügen nicht den Anforderungen, die im Falle einer bestreitenden Einlassung des Betr. an die Darlegung eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Messergebnisses zu stellen sind (vgl. BGHSt 39, 291). Auf Grund seiner Feststellungen zur Fotodokumentation der verfahrensgegenständlichen Messung durfte das AG nicht mehr vom Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens ausgehen.
1. Die Beweiswürdigung des AG enthält zur Durchführung der verfahrensgegenständlichen Messung mit dem Einseitensensor ES3.0 u.a. folgende Feststellungen: "Soweit der Verteidiger einwendet, dass die Messung nicht standardisiert erfolgt sei, weil der Messbeamte das Fahrzeug des Betroffenen und das Fahrerfoto allein mit der ungeeigneten WLAN-Kamera machte, ist dem entgegen zu halten, dass diese Vorgehensweise nach der Bedienungsanleitung zulässig ist. Daraus ergibt sich zum einen, dass die WLAN-Kamera nicht eichpflichtig ist (8.5.3) und zum anderen, dass deren Verwendung zur ausschließlichen Dokumentation des Fahrzeugs und Fahrers zulässig ist, soweit eine geeichte Kamera, selbst wenn diese kein Lichtbild des Fahrzeugs liefert (oder dieses unauswertbar ist, 8.5.3) mitverwendet wird. Dass dies der Fall war, bestätigte der Messbeamte in seiner Vernehmung und ergibt sich auch aus dem Lichtbild Bl. 16 d.A., auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird (,schwarzes Bild' mit eingeblendeten Messwerten)."
2. Diese Darlegungen halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, denn sie sind lückenhaft.
a) Wenn auch im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten, denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird (KK/Senge OWiG 4. Aufl. § 71 Rn. 106; Göhler-Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 71 Rn. 42; jeweils m.w.N.). In welchem Umfang Ausführungen zur Beweiswürdigung geboten sind, bestimmt sich nach der konkreten Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage unter Berücksichtigung des Tatvorwurfs und des Verteidigungsvorbringens (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2012 - 3 Ss OWi 450/12 = ZfS 2013, 290 = VM 2013, Nr. 30 = BeckRS 2013, 00407).
b) Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines sog. standardisierten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des Bundesgerichtshofs, genügt es im Regelfall, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die unter Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit stützt. Denn mit der Mitteilung des angewandten Messverfahrens sowie des berücksichtigten Toleranzwerts wird im Rahmen eines durch Normen vereinheitlichten technischen Verfahrens eine für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in aller Regel hinreichende Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung einer nachvollziehbaren tatrichterlichen Beweiswürdigung geschaffen (BGHSt 39, 291; 43, 277; vgl. zuletzt auch OLG Bamberg, Beschluss vom 06.10.2017 - 3 Ss OWi 1420/17 [be...