Leitsatz (amtlich)
Ein Regelfahrverbot nach Nr. 83.3 BKat kann nicht angeordnet werden, wenn das Rückwärtsfahren auf dem Seitenstreifen der Autobahn und der Beschleunigungsspur der Einfahrt und der Verzögerungsspur der Ausfahrt ausgeführt wird.
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts G. vom 04.10.2007 wie folgt abgeändert:
Der Betroffene wird wegen vorsätzlichen Rückwärtsfahrens auf der Nebenfahrbahn oder dem Seitenstreifen der Autobahn zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt.
II.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Angewendete Vorschriften:
§§ 18 Abs. 7, 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO, § 24 StVG 83.2 BKat
Gründe
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Rückwärtsfahrens auf der durchgehenden Fahrbahn der Autobahn zu einer Geldbuße in Höhe von 150 EUR und verhängte ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat. Hiergegen richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG zulässige und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1.
Aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs und den zugrunde liegenden, den Senat bindenden Feststellungen steht fest, dass der Betroffene am 10.10.2006 um 13.29 Uhr mit einem PKW auf der Bundesautobahn A 95 bei km 66,8 fuhr und in einen Stau geriet, den er umgehen wollte. Zu diesem Zweck fuhr er auf den Standstreifen und sodann auf diesem rückwärts über die Zufahrtsspur zur Autobahn an der Anschlussstelle E., sowie über den Seitenstreifen bis zur Abfahrtsspur der Ausfahrt E., die er dann vorwärts fahrend zum Verlassen der Autobahn benutzte.
2.
Aufgrund dieser Feststellungen hat das Amtsgericht den Betroffenen zu Recht in objektiver Hinsicht wegen Verstoßes gegen das Verbot, auf der Autobahn rückwärts zu fahren (§ 18 Abs. 7 StVO) schuldig gesprochen, da zur Autobahn nicht nur die durchgehenden Fahrbahnen, sondern auch die Zu- und Abfahrten, deren Beginn und Ende mit den Verkehrszeichen 330 bzw. 334 gekennzeichnet sind, sowie die Seitenstreifen und Nebenfahrbahnen gehören (BayObLGSt 1979, 166/167; OLG Düsseldorf VRS 71, 459; vgl. auch Hentschel Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. StVO § 18 Rn. 14, 14b).
In subjektiver Hinsicht widerspricht allerdings der Schuldspruch wegen fahrlässiger Begehungsweise den tatsächlichen Feststellungen. Bereits aus dem objektiven Tatgeschehen folgt, dass der Betroffene wusste und auch wollte, was er tat, also vorsätzlich die Autobahn rückwärts fahrend verließ. Die Frage, ob sich der Betroffene hinsichtlich der Zulässigkeit dieses Verhaltens bewusst war, betrifft nicht seinen Vorsatz, sondern sein Unrechtsbewusstsein. Irrt er sich über das Verbot des Rückwärtsfahrens auf der Autobahn - was schlechterdings kaum vorstellbar ist und auch nicht seiner Einlassung entspricht -, liegt lediglich ein vermeidbarer Verbotsirrtum vor, der den Vorsatz unberührt lässt (§ 11 Abs. 2 OWiG; vgl. Göhler OWiG 14. Aufl. § 10 Rn. 7 und § 11 Rn. 22, 23, 26).
Der Schuldspruch war daher aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen durch das Rechtsbeschwerdegericht entsprechend zu berichtigen (§ 79 Abs.6 OWiG). Dem steht weder die aufgrund wirksamer Beschränkung eingetretene Rechtskraft des Schuldspruchs (KK-Kuckein StPO 5. Aufl. § 354 Rn. 16) noch das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG entgegen (BGHSt 37, 5/9). Ein rechtlicher Hinweis nach § 265 StPO war ebenfalls nicht erforderlich, da nicht ersichtlich ist, wie sich der Betroffene wirksamer hätte verteidigen können, als erfolgt.
3.
Auch der Rechtsfolgenausspruch begegnet rechtlichen Bedenken.
a)
Das Amtsgericht verhängte unter Anwendung der Ziffer 83.3 des Bußgeldkatalogs eine Regelgeldbuße in Höhe von 150 EUR und ein Regelfahrverbot für die Dauer eines Monats im Hinblick darauf, dass auch die Zufahrtsstraße zur zweispurigen Autobahn als durchgehende Fahrbahn durch das Autobahnschild 330 gekennzeichnet sei.
b)
Dass das Rückwärtsfahren auf dem Seitenstreifen sowie der Beschleunigungsspur der Einfahrt bzw. der Verzögerungsspur der Ausfahrt den Ordnungswidrigkeitentatbestand des §§ 18 Abs. 7, 48 Abs. 1 Nr. 18 StVO i.V.m. § 24 StVG zweifelsohne erfüllt, wurde bereits ausgeführt. Hier von zu unterscheiden ist jedoch die Rechtsfolgenbemessung, die sich aus dem Bußgeldkatalog nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BKatV ergibt, und die ihrerseits eine tatbestandsmäßige Verkehrsordnungswidrigkeit voraussetzt (Göhler OWiG § 17 Rn. 28).
c)
Aus Ziffer 83 des Bußgeldkatalogs ergibt sich folgende Staffelung der Regelahndung: Das Rückwärtsfahren in einer Ein- und Ausfahrt einer Autobahn wird nach Ziffer 83.1 des Bußgeldkatalogs mit einer Regelgeldbuße von 50 EUR, auf der Nebenfahrbahn oder dem Seitenstreifen nach Ziffer 83.2 mit einer Geldbuße von 100 EUR, und auf den durchgehenden Fahrbahnen na...