Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Anforderungen an die organisatorischen Maßnahmen zur Fristenkontrolle im Kanzleibetrieb des Rechtsanwalts.
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Urteil vom 23.07.2004; Aktenzeichen 22 O 390/04) |
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bayreuth vom 23.7.2004 wird als unzulässig verworfen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Wiedereinsetzungsverfahrens.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.319,84 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung von (Grund-)Pfandrechten. Das LG Bayreuth hat mit Urteil vom 23.7.2004, den Klägervertretern zugestellt am 4.8.2004, die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 5.8.2004, eingegangen beim Berufungsgericht am 27.8.2004, Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 8.10.2004, beim Berufungsgericht per Telefax eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin ihre Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Zur Begründung für ihr Wiedereinsetzungsgesuch trägt die Klägerin Folgendes vor:
Am Tage der Zustellung des Urteils sei durch zwei Kanzleiangestellte eine Fristenprüfung durchgeführt worden. Dabei sei der Fristablauf der Berufungsfrist auf den 6.9.2004 (Montag) festgestellt und auf dem zur Fristenkontrolle verwendeten Fristenkontrollzettel vermerkt sowie im Fristenkalender eingetragen worden. Außerdem seien zwei Vorfristen (23.8. und 30.8.2004) ermittelt und eingetragen worden.
Die Fristenermittlung sei generell so organisiert, dass beim Eingang von Urteilen von zwei Kanzleimitarbeiterinnen gemeinsam die Fristenberechnung durchgeführt werde, wobei eine der Mitarbeiterinnen ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte sein müsse. Im Fall von Zweifeln herrsche die Anweisung, den sachbearbeitenden Rechtsanwalt zu fragen. Konkret sei hier die Überprüfung durch eine Auszubildende und eine Rechtsanwaltsfachangestellte erfolgt, die bereits mehr als 4 Jahre in der Kanzlei beschäftigt und äußerst zuverlässig sei. Bis auf den gegenständlichen Fall sei weder eine einzige Frist versäumt worden noch eine Falschberechnung vorgekommen.
Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei die Berufungsbegründungsfrist überhaupt nicht eingetragen worden, dies sei schlichtweg vergessen worden. Die eingetragene Berufungsfrist sei gewahrt und die Berufungseinlegung am 26.8.2004 zur Post gegeben worden. Auf dem Fristenkontrollzettel sei dann eine Erledigungsbestätigung vermerkt worden.
Der Beklagte ist dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegengetreten.
II.1. Die Berufung war gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der laufenden Berufungsbegründungsfrist eingelegt wurde. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt gem. § 520 Abs. 2 ZPO zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, hier am 4.8.2004, und endete somit am 4.10.2004. Die am 8.10.2004 beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung ist daher verspätet.
2. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird auch nicht durch Wiedereinsetzung beseitigt, vielmehr ist der diesbezügliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung liegen nach § 233 ZPO nicht vor, weil die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war, wobei ihr das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten überlassen (BGH v. 5.2.2003 - VIII ZB 115/02, MDR 2003, 710 = BGHReport 2003, 697 = NJW 2003, 1815 ff.). Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf der Anwalt darauf vertrauen, dass das zuständige Büropersonal die ihm übertragenen Aufgaben des Fristenwesens ordnungsgemäß erfüllt (BGH v. 5.2.2003 - VIII ZB 115/02, MDR 2003, 710 = BGHReport 2003, 697 = NJW 2003, 1815 ff.).
Unentbehrliches Hilfsmittel für die Fixierung der Fristen sind in erster Linie der (elektronische oder in Papierform g...