Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Vertretung mehrerer einfacher Streitgenossen auf der Passivseite/Voraussetzungen für eine "Vorschussanforderung" in voller Höhe der voraussichtlich anfallenden Gebühren und Auslagen
Leitsatz (amtlich)
1. Ist für eine interessengerechte Vertretung von zwei verklagten - einfachen - Streitgenossen (§§ 59, 60, 61 ZPO.) ein eigener Anwalt für jeden Streitgenossen nicht erforderlich, so ist es rechtsmissbräuchlich, ohne besonderen sachlichen Grund einen weiteren Anwalt einzuschalten mit der Folge, dass die angefallenen Kosten für zwei Anwälte nicht als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO. anzusehen und damit auch nicht erstattungsfähig sind (Anschluss an BGH NGW-RR 2004, 536).
2. Ein sachlicher Grund ergibt sich auch nicht aus der einen der beiden Streitgenossen betreffenden Mandatsniederlegung des ehemals gemeinsamen Prozessbevollmächtigten, sofern es bei einem am Maßstab des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO orientierten, also verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Parteiverhalten nicht zu einer solchen Mandatsniederlegung gekommen wäre. Eine Notwendigkeit im Sinne dieser Vorschrift folgt in einem solchen Fall auch nicht etwa daraus, dass die Beauftragung eines zweiten Anwalts infolge der Mandatsniederlegung und eines bestehenden Anwaltszwangs für den Streitgenossen möglicherweise erforderlich war.
3. Zu den Voraussetzungen einer "Vorschussforderung" des Rechtsanwalts in Höhe seiner gesamten Gebühren und Auslagen.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG § 9
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 25.10.2010; Aktenzeichen 3 O 562/08) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Aschaffenburg vom 25.10.2010 - 3 O 562/08 - wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.626,73 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte die Klägerin die beiden Beklagten (Sohn und Mutter) gesamtschuldnerisch aus einer behaupteten Bürgschaft in Anspruch genommen. Die Beklagten wurden zunächst gemeinsam von Rechtsanwalt Dr. K. vertreten. Dieser fertigte die Klageerwiderung und beantragte für beide Mandanten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss des LG vom 3.5.2010 wurde dem Antrag der Beklagten zu 2) unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K. entsprochen (Bl. 80 R. d.A.). Zuvor hatte der gemeinsame Prozessbevollmächtigte, nachdem er den Beklagten zu 1) erfolglos zur Zahlung eines Vorschusses aufgefordert hatte, der neben den gesamten bis zu diesem Zeitpunkt bereits angefallenen Gebühren und Auslagen auch die noch nicht angefallene Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG) in voller Höhe umfasste, mit Schriftsatz vom 19.3.2010 das Mandat für den Beklagten zu 1) niedergelegt (Bl. 65 d.A.). Dieser beauftragte daraufhin Rechtsanwalt H. mit seiner Vertretung. Der neue Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) zeigte sich mit Schriftsatz vom 7.4.2010 an (Bl. 67 d.A.) und vertrat seinen Mandanten in der mündlichen Verhandlung vom 3.5.2010. Die Klägerin nahm in diesem Termin ihre Klage zurück, das LG verpflichtete sie daraufhin mit Beschluss vom selben Tag zur Kostentragung.
Im Rahmen des nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahrens beantragten beide Beklagtenvertreter Kostenerstattung, Rechtsanwalt Dr. K. (wg. zweier Auftraggeber) i.H.v. 1.776,43 EUR (Bl. 84-85 d.A.), Rechtsanwalt H. i.H.v. 1.626,73 EUR (Bl. 82-83 d.A.). Hiergegen wandte sich die Klägerin, die die Auffassung vertritt, dass die Beklagten allenfalls Anspruch auf Erstattung der für einen Rechtsanwalt entstandenen Kosten hätten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.10.2010 setzte die Rechtspflegerin bei dem LG Aschaffenburg die von der Klägerin an die Beklagten als Gesamtgläubiger zu erstattenden Kosten auf 1.020,78 EUR fest. Hierbei erkannte sie die von Rechtsanwalt Dr. K. geltend gemachten Kosten i.H.v. 1.776,43 EUR als erstattungsfähig an, wovon jedoch 755,65 EUR infolge Auszahlung der Prozesskostenhilfevergütung auf die Staatskasse übergegangen seien. Nicht erstattungsfähig seien hingegen die Kosten für einen zweiten Rechtsanwalt. Die Beklagten hätten trotz gerichtlicher Aufforderung keine sachlichen Gründe benannt, die einen Anwaltswechsel erforderlich gemacht hätten.
Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am 28.10.2010 zugestellten Beschluss hat der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 11.11.2010, eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist auch weiterhin der Auffassung, dass die geltend gemachten Kosten in voller Höhe erstattungsfähig seien. Zum behaupteten Erfordernis des Anwaltswechsels führt er erstmals aus, dass er sich geweigert habe, eine "übersetzte" Gebührenvorschussnote von Rechtsanwalt Dr. K. zu begleichen, woraufhin dieser das Mandat gekündigt habe und der Beschwerdeführer gezwungen gewesen sei, mit Rechtsanwalt H. einen neuen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen.
Die Rech...