Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die elektronische Einreichung einer Beschwerdeschrift

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 64 Abs. 2 S. 4 FamFG ist eine Beschwerdeschrift zwingend zu unterschreiben.

2. Bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ist die Voraussetzung einer eigenhändigen Unterzeichnung gemäß § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG durch §§ 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG, 130a Abs. 3 Satz 1 2. Alt., Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ZPO dahingehend modifiziert, dass die als elektronisches Dokument eingelegte Beschwerde von der verantwortlichen Person entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (elDAS-VO) versehen oder von der verantwortenden Person einfach signiert (Art. 3 Nr. 10 elDAS-VO) und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss.

3. Die einfache Signatur erfordert am Ende des Schriftstücks die Wiedergabe des Namens der Person, die damit die Verantwortung für das Dokument übernehmen will. Eine Grußformel ohne Namensangabe genügt dem nicht.

4. Die einfache Signatur ist auch bei Einreichung über das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) erforderlich, wenn das Schriftstück nicht qualifiziert signiert ist.

5. Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterliegt als Körperschaft des öffentlichen Rechts der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gem. § 14b Abs. 1 FamFG.

 

Normenkette

FamFG § 14 Abs. 2, § 14b Abs. 1, § 64 Abs. 2 S. 4; ZPO § 130a Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

AG Gemünden am Main (Aktenzeichen W 003 F 546/20)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 14.12.2021, Aktenzeichen W 003 F 546/20, wird als unzulässig verworfen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.427,80 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. 1. Durch Beschluss des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 04.11.2020, Az. 3 F 143/20, ist die Ehe der Antragstellerin und des weiteren Beteiligten geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt worden. Unter anderem wurde zu Lasten des Anrechts des weiteren Beteiligten bei der Antragsgegnerin (Vers.-Nr. ...) im Wege der internen Teilung zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 34,7124 Entgeltpunkten bezogen auf den 31.03.2020 übertragen. Der Scheidungsbeschluss ist seit dem 12.01.2021 rechtskräftig.

Mit am 15.10.2020 eingegangenem Antrag begehrte die Antragstellerin die Aussetzung der Kürzung der Versorgung des weiteren Beteiligten hinsichtlich dessen Anrecht bei der Antragsgegnerin gemäß § 33 VersAusglG wegen eines ihr gegen den weiteren Beteiligten zustehenden Unterhaltsanspruchs. Der weitere Beteiligte bezieht seit dem 01.10.2021 eine gesetzliche Altersrente.

2. Mit Beschluss vom 14.12.2021 hat das Amtsgericht - Familiengericht - die mit Beschluss vom 04.11.2020 im Verfahren 3 F 143/20 erfolgte Kürzung des Anrechts des weiteren Beteiligten bei der Antragsgegnerin (Vers.-Nr. ...) mit Wirkung zum 01.10.2021 in Höhe von 1.011,22 EUR ausgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 33 VersAusglG gegeben seien, da die Antragstellerin mangels Erreichen der Regelaltersgrenze keine Versorgung aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalte und ohne die Kürzung der Versorgung des weiteren Beteiligten in der Entscheidung zum Versorgungsausgleich ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin bestanden hätte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 47 d.A.) Bezug genommen. Der Beschluss enthält eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung. In dieser wird insbesondere auf die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für juristische Personen des öffentlichen Rechts zur Beschwerdeeinlegung und die diesbezüglichen Anforderungen hingewiesen

3. Dieser Beschluss ist der Antragsgegnerin (D. R. B.) am 22.12.2021 zugestellt worden. Mit am 07.01.2022 beim Familiengericht eingegangenem Schreiben vom gleichen Tag, eingereicht über ihr elektronisches Behördenpostfach (beBPo), hat die Antragsgegnerin gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Aussetzung der Kürzung des Anrechts des weiteren Beteiligten aufzuheben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass für die Antragstellerin nach den Informationen der Antragsgegnerin bereits die Voraussetzungen für einen eigenen Bezug von Altersrente gegeben seien, so dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Kürzung nach § 33 Abs. 1 VersAusglG nicht mehr vorliegen würden. Das Schreiben trägt weder Unterschrift noch Namensnennung einer verantwortenden Person, sondern endet mit der Formel "Mit freundlichen Grüßen". Im Kopf des Schreibens ist unter der Anschrift der Antragsgegnerin sowie Angaben zur Erreichbarkeit lediglich angegeben "Auskunft erteilt: Hr. M.". Auch eine qualifizierte elektronische Signatur ist nicht erfolgt.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 17.01.2022 hat der Senat die Antragsgegnerin darauf...

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