Leitsatz (amtlich)
1.
Die Teilnahme des Betroffenen an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht das Absehen von einem Regelfahrverbot.
2.
Eine Ausnahme vom Regelfahrverbot kann im Einzelfall nur dann gerechtfertigt sein, wenn neben dem Seminarbesuch eine Vielzahl anderer zu Gunsten des Betroffenen sprechender Gesichtspunkte im Rahmen einer wertenden Gesamtschau durch den Tatrichter festgestellt werden können.
Tatbestand
Zum Sachverhalt:
Das AG hat den Betr. wegen fahrlässigen Überschreitens der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h zu einer Geldbuße verurteilt. Von dem im Bußgeldbescheid außerdem angeordneten einmonatigen (Regel-) Fahrverbot wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes iSv. § 25 I 1 StVG iVm. § 4 II 2 BKatV hat es mit der Begründung abgesehen, der Betr. habe mit seiner bestätigten freiwilligen Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Nachschulung, der Absolvierung von 6 Sitzungen und Übernahme der hierfür angefallenen Kursgebühren von rund 500 EUR gezeigt, dass die Sanktionsziele des Regelfahrverbots bereits als erreicht anzusehen seien. Es bestehe mithin hinreichender Grund für die Annahme, dass der Betr. sein Fahrverhalten nunmehr nachhaltig ändern werde, so dass es keiner weiteren Einwirkung mehr durch ein Fahrverbot bedürfe.
Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der StA führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das AG.
Entscheidungsgründe
Das AG hat zutreffend erkannt, dass auf Grund der nach §§ 28, 29 StVG verwertbaren Vorahndungen hinsichtlich des Fahrverbots ein Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes nach den §§ 24, 25 I 1 StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV vorlag. Denn nach der seit dem 05.01.2006 rechtskräftigen Verhängung einer Geldbuße wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h hat der Betr. mit der vorliegenden neuerlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h am 16.10.2006 innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der (letzten) Vorahndung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begangen. Allerdings hält die Auffassung des AG, von einer die Verhängung eines Fahrverbots begründenden beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers sei allein im Hinblick auf den Besuch des Aufbauseminars nicht mehr auszugehen, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1.
Zwar folgt aus § 4 II 2 BKatV nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG NJW 1996, 1809/1810). Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. Der Tatrichter hat innerhalb des ihm eingeräumten Bewertungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen.
2.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben vermag der vom Tatrichter festgestellte Besuch von sechs Sitzungen eines Aufbauseminars für sich allein betrachtet ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine Ausnahme vom Regelfall nicht zu begründen.
a)
Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, die Teilnahme an einem Aufbauseminar mache für sich allein betrachtet bereits die Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots überflüssig. Zielrichtung und Intensität des Fahrverbots sind mit denen eines Aufbauseminars nicht vergleichbar; beide verfolgen ganz unterschiedliche Zwecke. Durch das Fahrverbot soll dem Betr. zum einen seine Verfehlung deutlich vor Augen geführt werden. Zum anderen soll er nochmals ausdrücklich zur Beachtung der Verkehrsvorschriften angehalten werden. Der Verordnungsgeber hält es daher für erforderlich, bei einem Versagen, das deutlich über den üblichen nur bußgeldbewehrten Verfehlungen liegt, eindringlich auf den Täter dort einzuwirken, wo er gefehlt hat, nämlich bei der Ausübung seiner Berechtigung zur Führung eines Kraftfahrzeugs. In diesem Bereich ist durch das Regelfahrverbot mit seiner Erziehungs- und Denkzettelfunktion ein Einschnitt gerade in die persönliche Handlungsfreiheit bezweckt (vgl. BayObLGSt 1994, 118). Demgegenüber ist das Ziel eines Aufbauseminars die Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister gem. § 4 IV und VIII StVG. Das AG hat festgestellt, dass sich das vom Betr. besuchte Seminar vom Umfang her lediglich auf sechs Sitzungen bezog. Ein derartiges Seminar beschränkt somit die persönliche Freiheit des Betr. offensichtlich i...