Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiengerichte, Verwaltungsgerichte, sachliche Unzuständigkeit, Berechtigtes Interesse, Kostenentscheidung, Verfahrenseinleitender Antrag, Rechtswegverweisung, Gefährdung des Kindeswohls, Sofortige Beschwerde, Amtsverfahren, Förmliche Verfahrenseinleitung, Unterrichtung, Eltern, Vorermittlungen, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Zugestellte Entscheidung, Örtliche Zuständigkeit, Aufhebung, Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, Rechtsbehelfsbelehrung
Leitsatz (amtlich)
Ein Schreiben der Eltern an das Familiengericht mit der Anregung der Einleitung eines Verfahrens wegen Gefährdung des Kindeswohl durch Maßnahmen des Infektionsschutzes ist kein verfahrenseinleitender Antrag, der eine Verweisung an ein Verwaltungsgericht ermöglicht.
Verfahrensgang
AG Bad Kissingen (Beschluss vom 19.04.2021; Aktenzeichen 002 F 167/21) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Kindeseltern wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Kissingen vom 19.04.2021 aufgehoben.
Gründe
I. Mit Schreiben vom 08.04.2021 regten die Eltern der minderjährigen Kinder A. (12 Jahre) und B. (8 Jahre) beim Familiengericht Bad Kissingen die Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 Abs. 1 und 4 BGB an mit der Begründung, die Maßnahmen nach der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahme-Verordnung in der Fassung vom 05.03.2021 in Verbindung mit dem Rahmenhygieneplan Schulen in der Fassung vom 12.03.2021 würden das Wohl ihrer Kinder gefährden.
Nach vorherigem Hinweis erklärte sich das Familiengericht mit Beschluss vom 19.04.2021 für sachlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht Würzburg. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt:
Entgegen der Rechtsansicht der Eltern handelt es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, ohne dass eine vorrangige Zuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit vorläge. Entsprechend hatte sich das Amtsgericht gemäß § 17a Abs. 2 GVG für sachlich unzuständig zu erklären und das Verfahren an das sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsgericht Würzburg zu verweisen.
Die Eltern legten gegen diese am 22.04.2021 zugestellte Entscheidung mit Schreiben vom 01.05.2021, eingegangen beim Familiengericht am 01.05.2021, Beschwerde ein.
Ihrer Auffassung nach habe das Gericht die wesentlichen rechtlichen Grundlagen verkannt. Ausgangspunkt des Verfahrens sei eine Anregung nach § 1666 BGB gewesen. Bei Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls handele es sich um echte Amtsverfahren im Sinn von § 24 FamFG. Stellt das Gericht nach einer Vorprüfung fest, dass ausreichend Anlass für die Einleitung eines Verfahrens besteht, sei es verpflichtet, ein Verfahren einzuleiten. Folgt das Gericht der Anregung nicht, müsse es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber unterrichten, soweit ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung ersichtlich ist.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 08.04.2021, die Gründe der Entscheidung vom 19.04.2021 sowie die Beschwerdeschrift vom 01.05.2021 verwiesen.
II. Die nach §§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 567 ff ZPO (Zöller / Lückemann, ZPO, 33. Auflage, 2020, § 17a GVG Rn. 15) zulässige Beschwerde der Eltern ist begründet und führt zur Aufhebung der am 19.04.2021 getroffenen Entscheidung.
1) Tatsächlich beinhaltet das Schreiben der Eltern eine (bloße) Anregung gemäß § 24 FamFG. Mit dem Eingang des Schreibens bei Gericht wurde noch kein Verfahren eingeleitet (Keidel / Sternal, FamFG, 19. Auflage, 2017, § 24 Rn. 5).
Dementsprechend wurde damit auch kein Verfahrensrechtsverhältnis begründet, welches einer Rechtswegverweisung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zugänglich wäre (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. April 2021 - 20 WF 70/21 -, juris).
2) Vielmehr hat das Familiengericht aufgrund der Anregung nach pflichtgemäßem Ermessen Vorermittlungen einzuleiten:
Besteht tatsächlich ein die Verfahrenseinleitung rechtfertigender Anlass, muss das Familiengericht schließlich ein (förmliches) Verfahren einleiten. Anderenfalls sind die Vorermittlungen zu beenden, wobei in diesem Fall derjenige, der die Ermittlungen angeregt hat, nach § 24 Abs. 2 FamFG hierüber zu unterrichten ist, soweit ein berechtigtes Interesse besteht.
III. Eine Kostenentscheidung ist, weil mit einer Anregung keine gesonderten Kosten und Gebühren verbunden sind, entbehrlich (Keidel / Sternal, a.a.O., § 24 Rn. 10).
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist sind nicht gegeben (§ 574 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14803978 |