Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsbefugnis des Erben und Pflichtteilsberechtigten im Klageerzwingungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Als zur Antragstellung berechtigter 'Verletzter' i.S.v. § 172 I 1 StPO kann nur derjenige angesehen werden, der durch die behauptete Straftat - ihre Begehung unterstellt - in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen unmittelbar beeinträchtigt ist (u.a. Festhaltung an OLG Bamberg, Beschl. v. 07.10.2008 - 3 Ws 60/08 = OLGSt StPO § 172 Nr. 47 und OLG Stuttgart Justiz 2010, 309).

2. Der Erbe eines durch ein Vermögens- oder Eigentumsdelikt Geschädigten ist weder unmittelbar Verletzter i.S.v. § 172 I 1 StPO noch geht das höchstpersönliche Antragsrecht nach § 172 II StPO durch Erbfall auf ihn über. Dies gilt erst recht für den Inhaber eines lediglich schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Erben (u.a. Anschluss an OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2008 - 1 Ws 208/08 und v. 30.09.2008 - 1 WS 147/08 [bei [...]]; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.05.2006 - 2 Ws 155/06 = SchlHA 2007, 286 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.1994 - 2 Ws 396/93 = wistra 1994, 155).

 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4; StGB § 77 Abs. 2; StPO § 172

 

Tatbestand

Der GStA hat mit Bescheid vom 19.10.2015 der Beschwerde des Ast. gegen die Einstellung des Verfahrens durch die StA vom 03.08.2015 keine Folge gegeben. Mit am 23.11.2015 eingegangenem Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom gleichen Tag beantragt der Ast. die gerichtliche Entscheidung gegen den vorgenannten Bescheid. Das OLG hat den Antrag als unzulässig verworfen.

 

Entscheidungsgründe

1. Soweit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Geschehnisse um den Abschluss eines Grundstücksüberlassungsvertrags und die Einräumung einer Vollmacht an die Beschuldige im Jahre 2012 zum Gegenstand hat, ist er schon deshalb unzulässig, weil der Ast. hinsichtlich des mit seiner Mutter geschlossenen Grundstücksüberlassungsvertrags und hinsichtlich der von seiner Mutter eingeräumten Vollmacht nach seinem eigenen Vortrag nicht Verletzter i.S.d. § 172 I StPO ist.

a) Verletzter im Sinne dieser Vorschrift ist, wer durch die behauptete Straftat - ihre Begehung unterstellt - in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen unmittelbar beeinträchtigt worden ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 07.10.2008 - 3 Ws 60/08 = OLGSt StPO § 172 Nr. 47; OLG Stuttgart Justiz 2010, 309; KK-Moldenhauer StPO 7. Aufl. § 172 Rn. 19, jeweils m.w.N.).

b) Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Ast. seine rechtliche Stellung als (Mit-)Erbe überhaupt substantiiert dargelegt hat. Denn selbst der Erbe eines durch ein Vermögens- oder Eigentumsdelikt Geschädigten ist weder unmittelbar Verletzter, noch geht das höchstpersönliche Antragsrecht gem. § 172 StPO durch Erbfall auf ihn über (vgl. u.a. OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2008 - 1 Ws 208/08 und vom 30.09.2008 - 1 WS 147/08 [bei [...]]; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.05.2006 - 2 Ws 155/06 = SchlHA 2007, 286 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.1994 - 2 Ws 396/93 = wistra 1994, 155; LR/Graalmann-Scheerer StPO 26. Aufl. § 172 Rn. 44; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. § 172 Rn. 12, jeweils m.w.N.). Der Umstand, dass das Strafantragsrecht nach § 77 II StGB in bestimmten Fällen auf Angehörige übergehen kann, begründet nicht den Übergang der Antragsbefugnis nach § 172 II 1 StPO (OLG Hamm NJW 1977, 64; LR/Graalmann-Scheerer § 172 Rn. 44 m.w.N.). Umso mehr muss dies für eine lediglich pflichtteilsberechtigte Person gelten.

2. Auch soweit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung von einem strafrechtlich relevanten Verhalten der Besch. im Zusammenhang mit dem Gebrauchmachen der von der Verstorbenen ausgestellten Vollmacht nach deren Tode ausgeht, ist er unzulässig.

a) Gemäß § 172 III 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen und Beweismittel angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen. Erforderlich ist eine aus sich selbst heraus verständliche und geschlossene Schilderung eines Sachverhalts, der - seine Richtigkeit unterstellt - zum einen die Zulässigkeit des Antrags selbst, zum anderen bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (st.Rspr.; vgl. zuletzt BVerfG [3. Kammer des 2. Senats], Beschl. v. 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 [bei [...]] und BayVerfGH v. 17.11.2015 - Vf. 12-VI-15 [bei [...]], jeweils m.w.N.). Aus der gebotenen Sachdarstellung muss sich deshalb neben der Verletzteneigenschaft und damit der Antragsbefugnis des Ast. und den tatsächlichen Grundlagen etwaiger Verfahrenshindernisse auch - wenigstens in groben Zügen - der Gang des Ermittlungsverfahrens ergeben. Hierzu zählen neben den Inhalten der ang...

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