Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsbeiordnung bei Auslandsbezug

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bayreuth (Beschluss vom 23.05.2011; Aktenzeichen 1 F 676/10)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten A. wird der Beschluss des AG Bayreuth vom 23.5.2011 dahingehend abgeändert, dass der Beteiligten A. Rechtsanwalt K. beigeordnet wird.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Kindsvater betreibt ein Verfahren auf Feststellung, dass die Antragsgegnerin nicht von ihm abstammt. Die Kindsmutter A. beantragte Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren.

Mit Beschluss des AG Bayreuth vom 23.5.2011 wurde der Kindsmutter A. für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt K. wurde zurückgewiesen.

Dies begründete das AG damit, eine Anwaltsbeiordnung nach § 78 Abs. 2 FamFG komme nicht in Betracht. Die Interessen der Kindsmutter seien schon über die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Kind E. hinreichend gewahrt. Aus dem bisherigen Vorbringen ergebe sich nämlich kein Interessengegensatz Mutter-Kind, so dass ein Rechtsanwalt nicht für beide Beteiligte beigeordnet werden müsse. Auch sonst sei ein qualifizierter Ausnahmefall nicht ersichtlich.

Gegen diese, den Rechtsanwälten der Kindsmutter am 25.5.2011 zugestellten Beschluss legte die Kindsmutter mit am 6.6.2011 beim AG Bayreuth eingegangenem Schriftsatz ihrer Rechtsanwälte sofortige Beschwerde ein, soweit der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt K. zurückgewiesen wurde. Schon wegen des Grundsatzes der Waffengleichheit sei die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich. Es solle nicht nur Unstreitiges festgestellt werden.

Mit Beschluss des AG Bayreuth vom 8.6.2011 wurde der sofortigen Beschwerde der Kindsmutter gegen den Beschluss des AG Bayreuth vom 6.6.2011 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem OLG Bamberg zur Entscheidung vorgelegt. Dem Gebot der Waffengleichheit, welches in den Fam-FGG Verfahren ohnehin nurmehr als schwaches Abwägungskriterium zu berücksichtigen sei, werde auch genügt, wenn dem Kind Rechtsanwalt K. beigeordnet werde. Ein Interessenkonflikt zwischen Mutter und Kind sei nicht ersichtlich.

Mit Beschluss vom 28.6.2011 wurde die Sache gem. §§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 568 Abs. 1 Nr. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Das Verfahren, das nach dem 1.9.2009 eingeleitet wurde, richtet sich gemäß Art 111 Abs. 1 FGG-RG nach den seit 1.9.2009 geltenden Verfahrenvorschriften.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 1 Satz 2, 567-572 ZPO).

In der Sache ist die sofortige Beschwerde begründet.

Nach § 78 Abs. 2 FamFG wird einem Beteiligten in Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

Zwar erfordert der Grundsatz der Waffengleichheit in einem Amtsverfahren grundsätzlich nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Der BGH führt in der grundlegenden Entscheidung vom 23.6.2010 in FamRZ 2010, 1427 hierzu aus:

"Den Grundsatz der Waffengleichheit hat der Gesetzgeber bewusst nicht aus § 121 Abs. 2, Alt. 2 ZPO in die gesetzliche Neuregelung des § 78 Abs. 2 FamFG übernommen, weil die §§ 76 ff. FamFG nicht für streitige Ehesachen und Familienstreitsachen gelten (BT-Drucks. 16/6308, 214; OLG Celle NdsRpfl 2010, 171; FamVerf/Gutjahr, 2. Aufl., § 2 Rz. 73; Bahrenfuss/Wittenstein, FamFG, § 78 Rz. 7; Horndasch/Viefhues/Götsche, § 78 Rz. 31 f.). In den verbleibenden Familiensachen sei das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 26 FamFG ohnehin zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Dies gelte auch in Fällen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Ziele verfolgen, wie etwa in Umgangsverfahren (BT-Drucks. 16/6308, 214). Nach diesem Willen des Gesetzgebers kann im familiengerichtlichen Amtsermittlungsverfahren nicht - wie im Zivilprozess - stets vom Grundsatz notwendiger Waffengleichheit ausgegangen werden. Auch wenn andere Beteiligte anwaltlich vertreten sind, führt dies nicht notwendig zur Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe.

Allerdings hat das BVerfG bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass ein pauschaliertes Abstellen auf den Amtsermittlungsgrundsatz gegen das Prinzip der Rechtsschutzgleichheit verstößt (BVerfG NZS 2002, 420; NJW-RR 2007, 1713, 1714 und Beschluss vom 6.5.2009 - 1 BvR 439/08 - veröffentlicht bei juris Tz. 20). Auch die Rolle eines Beteiligten im familiengerichtlichen Amtsverfahren kann nicht darauf reduziert werden, einerseits Sachanträge zu stellen, um dann im Folgenden mangels eigener Fähigkeiten zur Verfahrensgestaltung Objekt des Verfahrens zu sein. Als Verfahrenssubjekt mit persönlichen Rechten und Pflichten werden die beteiligten Eltern weder durch den Amtsermi...

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