Leitsatz (amtlich)
Im Vaterschaftsfeststellungsverfahren rechtfertigt weder die Erforderlichkeit der Einholung eines Abstammungsgutachtens noch der Umstand, dass das antragstellende Kind durch das Jugendamt als Beistand vertreten wird die Beiordnung eines Rechtsanwalts für den als vermeintlichen Vater in Anspruch genommenen Antragsgegner.
Verfahrensgang
AG Magdeburg (Entscheidung vom 30.05.2011; Aktenzeichen 241 F 451/11) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 21. Juni 2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 30. Mai 2011, Az.: 241 F 451/11 AB, wird, soweit das Amtsgericht ihm Verfahrenskostenhilfe ohne Beiordnung eines Anwalts bewilligt hat, zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 1. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der durch das Jugendamt vertretene Antragsteller begehrt beim Amtsgericht - Familiengericht - Magdeburg die Feststellung, dass der Beteiligte zu 1 sein Vater sei. Er hat vorgetragen, seine Mutter, die Beteiligte zu 2, habe mit dem Beteiligten zu 1 während der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt.
Der Beteiligte zu 1 behauptet, dass der Antragsteller nicht sein Kind sei, weil die Kindesmutter während der Empfängniszeit intime Beziehungen mit anderen Männern gehabt habe.
Das Amtsgericht hat dem Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 30. Mai 2011 Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes jedoch abgelehnt. Mit Beschluss vom selben Tage hat es die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeordnet.
Der Beteiligte zu 1 wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Nichtbeiordnung eines Rechtsanwalts. Er vertritt die Auffassung, dass wegen der besonderen und einschneidenden Bedeutung von Statusverfahren auch ein bemittelter Rechtsuchender einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Zudem werde der Antragsteller durch das Jugendamt vertreten, sodass auch nach dem Grundsatz der Waffengleichheit die Beiordnung eines Rechtsanwaltes geboten sei.
II. Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG in Verb. mit den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 21. Juni 2011 (Bl. 15 VKH-Beiheft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 30. Mai 2011 (Bl. 11 VKH-Beiheft), durch den sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen worden ist, ist in der Sache unbegründet.
Das Amtsgericht hat seinen Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Recht abgelehnt. Der angefochtene Beschluss hält dem Beschwerdevorbringen stand.
In Abstammungssachen im Sinne der §§ 111 Nr. 3, 169 Nr. 1 FamFG ist eine anwaltliche Vertretung - wie aus § 10 Abs. 1, 2 und 4 FamFG und im Umkehrschluss aus § 114 Abs. 1 FamFG erhellt - in erster und zweiter Instanz nicht vorgeschrieben, sodass § 78 Abs 1 FamFG keine Anwendung findet. In diesen Fällen wird einem Beteiligten auf seinen Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl nur beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 78 Abs. 2 FamFG). Die Erforderlichkeit einer Beiordnung im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010, Az.: XII ZB 232/09, zitiert nach juris, Rdnr. 25) davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Dies setzt wiederum eine konkrete, an objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalles orientierte Notwendigkeitsprüfung voraus.
Soweit nach diesen Grundsätzen ein Teil der Obergerichte in Vaterschaftsfeststellungsverfahren die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes stets dann bejaht, wenn die Beteiligten entgegengesetzte Ziele verfolgen und deswegen wie im Streitfall ein Abstammungsgutachten eingeholt werden muss (z. B. OLG Koblenz, Beschluss vom 03. Januar 2011, Az.: 13 WF 1144/10, zitiert nach juris, Rdnr. 2; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Oktober 2010, Az.: 13 WF 134/10, zitiert nach juris, Rdnr. 11; OLG Dresden, 24. Zivilsenat, Beschluss vom 30. Juni 2010, Az.: 24 WF 558/10, zitiert nach juris, Rdnr. 19), folgt der Senat dem nicht. Denn die Einholung eines Abstammungsgutachtens im Vaterschaftsfeststellungsverfahren begründet allein nicht eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Abstammungsgutachten sind nach den Erfahrungen des Senats in der Regel inhaltlich kurz sowie verständlich abgefasst und daher auch für eine nicht rechtskundige Partei ohne Weiteres nachvollziehbar, sodass ein nicht anwaltlich vertretener Beteiligter den Inhalt des Gutachtens ohne fremde Hilfe erfassen kann (so auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 05. Januar 2011, Az.: 11 WF 342/10, zitiert nach juris...