Leitsatz (amtlich)
1. In Abstammungsverfahren ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78 Abs. 2 FamFG nicht allein deshalb erforderlich, weil das Verfahren existentielle Bedeutung hat.
2. Auch die Besonderheiten des Abstammungsverfahrens gegenüber sonstigen Zivilprozess- und Familienverfahren erfordern für sich genommen nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts
3. Über die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Anwalts ist vielmehr nach Abwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
4. In Verfahren, in denen die Beteiligten keine entgegengesetzten Interessen verfolgen, liegt es nahe, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich ist.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Besigheim (Beschluss vom 17.02.2011; Aktenzeichen 2 F 37/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Besigheim vom 17.2.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind geschiedene Eheleute. Die Beteiligten zu 1) und 2) wurden von der Beteiligten zu 3) vor Anhängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1599 Abs. 2 BGB) geboren.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben vor dem AG Besigheim die Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 BGB) des Beteiligten zu 4) angefochten. Sie tragen vor, der Beteiligte zu 4) habe während der Empfängniszeit keinen Geschlechtsverkehr mit der Beteiligten zu 3) gehabt. Ihr Vater sei vielmehr ein anderer Mann, der die Vaterschaft anerkennen werde.
Für das Anfechtungsverfahren haben sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten nach § 78 Abs. 2 FamFG beantragt.
Der Beteiligte zu 4) hat zu dem Anfechtungsantrag erklärt, es treffe zu, dass er nicht der leibliche Vater der Beteiligten zu 1) und 2) sei. Er werde der Anerkennung durch den leiblichen Vater zustimmen. Auch einer möglichen biologischen Untersuchung stimme er zu. Der Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) sei seinem eigenen Antrag zuvorgekommen.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 17.2.2011 Verfahrenskostenhilfe bewilligt, aber den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen. Die Sach- und Rechtslage sei nicht schwierig i.S.d. § 78 Abs. 2 FamFG. Zwischen den Beteiligten herrsche Einigkeit darüber, dass der Beteiligte zu 4) nicht der Vater der beteiligten Zwillingskinder sei. Dies werde zudem durch das einzuholende Abstammungsgutachten verlässlich geklärt werden.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) und 2) weiter das Ziel der Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten. Die Sach- und Rechtslage in Abstammungsverfahren sei bei der maßgeblichen Sicht aus der Perspektive des juristischen Laien, der sich unter Umständen nach Trennung und Scheidung in einer nicht einfachen Lebenssituation befinde, schwierig.
II. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Das Familiengericht hat die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Recht abgelehnt, da die Sach- und Rechtslage nicht schwierig i.S.d. § 78 Abs. 2 FamFG ist.
Nach § 78 Abs. 2 FamFG wird einem Beteiligten in Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint.
In Abstammungssachen i.S.d. §§ 111 Nr. 2, 169 Nr. 1 FamFG ist ein anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben (§§ 112, 114 Abs. 1 FamFG). Die Beiordnung eines Anwalts in einem solchen Verfahren hat somit nicht schon gem. § 78 Abs. 1 FamFG zu erfolgen, sondern setzt voraus, dass die Sach- und Rechtslage schwierig ist. Dabei genügt es, wenn nur die Sach- oder nur die Rechtslage schwierig ist (BGH FamRZ 2010, 1427 Rz. 14).
Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt, in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (OLG Dresden, Beschl. v. 28.7.2010 - 23 WF 535/10 - juris Rz. 11). Dabei sind auch die subjektiven Fähigkeiten des Rechtssuchenden zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2010, 1427 Rz. 21 ff.; OLG Oldenburg, NJW 2011, 941 Rz. 6). Die Beurteilung ist nicht aus der Perspektive des erfahrenen Familienrichters, sondern aus Sicht des juristischen Laien vorzunehmen (OLG Hamburg FamRZ 2011, 129).
Der BGH hat zu dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht die Auffassung vertreten, dass bereits die existentielle Bedeutung des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedenfalls dann nahelegt, wenn die Beteiligten entgegengesetzte Ziele verfolgen. Zudem handle es sich um ein Verfahren, das vom allgemeinen Zivilprozess stark abweiche, was ebenfalls rechtlichen Beistand erforderlich erscheinen lasse (BGH FamRZ 2007, 1968). Diese Überlegungen des BGH gelten nicht nur für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Sie sind auch auf das Vatersc...