Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf einen Elternteil, wenn in Teilbereichen des Sorgerechts eine Vollmacht eines Elternteils vorliegt, auch wenn dieser im Ausland lebt.
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bevollmächtigung durch einen Elternteil macht die Übertragung des Sorgerechts entbehrlich, wenn und soweit eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrung der Kindesbelange vorhanden ist.
2. Durch umfassend erteilte Vollmachten für Teilbereiche der elterlichen Sorge ist der betreuende Elternteil in der Lage, die Entscheidungen für die Kinder in diesen Bereichen hinreichend zu treffen. Das gilt auch für den Fall, dass sich ein Elternteil dauernd im Ausland aufhält.
3. Durch moderne Kommunikationsmittel (Telefon, E-mail) und die Möglichkeit, auch Unterschriften elektronisch zu leisten, ist ausreichender Kontakt sichergestellt.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Würzburg (Aktenzeichen 4 F 657/21) |
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin vom 30.09.2021 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Würzburg vom 29.07.2021 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die mittlerweile geschiedenen Eltern der Kinder K1, geb. am ... und K2, geb. am .... Die Kinder leben bei der Antragstellerin. Der Antragsgegner lebt mittlerweile in der Türkei, eine Rückkehr nach Deutschland ist nicht beabsichtigt. Die Beteiligten streiten über das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder.
Der Antragstellerin wurde durch Beschluss vom 02.04.2013 im Verfahren 4 F 85/13 durch das Amtsgericht Würzburg das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden gemeinsamen Kinder zur alleinigen Ausübung übertragen.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 29.07.2021 wurde der Antragstellerin die Vermögenssorge sowie das Recht zur Antragstellung nach dem SGB VIII für die gemeinsamen Kinder zur alleinigen Ausübung übertragen. Im Übrigen wurde der Antrag zurückgewiesen.
Die Antragstellerin begehrt mit der Beschwerde die Übertragung der kompletten elterlichen Sorge und beantragt hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Der Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 29.07.2021 wurde der Antragstellerin am 30.07.2021 zugestellt. Gegen diesen Beschluss legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.08.2021, eingegangen beim Amtsgericht Würzburg am 27.08.2021 Beschwerde ein, welche mit Schreiben vom 30.09.2021, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag, begründet wurde.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin das Ziel die gesamte alleinige elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder übertragen zu erhalten. Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, dass zwar der Antragsgegner ihr eine schriftliche Vollmacht am 02.05.2021 für beide Kinder erteilt habe, und damit die Antragstellerin handlungsfähig sei, dies aber nicht zur gewünschten Ruhe für die Kinder führe. Sowohl K1 als auch K2 hätten in ihrer Anhörung eindeutig formuliert, dass sie möchten, dass die Mutter alleine über und für sie entscheide. Die Kinder hätten in den vergangenen Jahren das hohe Konfliktpotential zwischen den Eltern miterlebt und insbesondere auch die Impulsivität des Antragsgegners wahrgenommen. Damit gründe der Wunsch der Kinder auf Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf einem realen Hintergrund, welcher ernst genommen werden solle. Dem Antrag der Antragstellerin habe sich auch der Verfahrensbeistand angeschlossen. Zudem verfüge der Antragsgegner über erhebliche kriminelle Energie, da er strafrechtlich wegen Betrugs und ähnlicher Delikte verurteilt sei. Die Antragstellerin traue dem Antragsgegner letztlich alles zu, zumal dieser nach wie vor im Besitz gültiger türkischer Reisepässe der Kinder sei und diese nicht an die Kindsmutter herausgeben wolle. Auch wolle der Antragsgegner nicht nach Deutschland zurückkehren, so dass faktisch auch die elterliche Sorge von ihm nicht ausgeübt werden könne.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Er führt aus, dass ein Grund für die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein nach §§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 nicht vorliege. Zum einen hätte die Antragstellerin bereits das Aufenthaltsbestimmungsrecht und nun auch das Recht zur Regelung der Angelegenheiten der Vermögensvorsorge und Antragstellung nach dem SGB VIII inne. Es verblieben letztendlich nur die Teilbereiche der schulischen Angelegenheiten und der Gesundheitsfürsorge, welche von Relevanz wären. Regelungen in diesen Bereichen dürften jedoch kaum anstehen. Beide Kinder würden bereits die Schule besuchen, welche sie voraussichtlich auch mit einem entsprechenden Abschluss verlassen werden. Hier stehe aller Voraussicht nach überhaupt keine Entscheidung bis zur Volljährigkeit an. Die Kinder könnten zudem, da sie gesund sind und einfache ärztliche Behandlungen ohne Einwilligung des anderen Elternteils möglich seien, ärztlich behandelt werden. Zudem werde der Antragsgegner selbstvers...