Entscheidungsstichwort (Thema)

Dieselskandal - Keine sittenwidrige Schädigung nach adhoc-Mitteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Weil der Fahrzeughersteller die unzulässige Abschalteinrichtung öffentlich gemacht und sich mit deren Aufarbeitung befasst hat, liegt jedenfalls ab diesem Zeitpunkt kein verwerfliches sittenwidriges Schädigungshandeln der Beklagten vor, und zwar schon objektiv, ohne dass es insoweit auf eine Kenntnis des Klägers ankommt. (Rn. 10)

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV §§ 6, 27

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 12.11.2019; Aktenzeichen 72 O 2130/18)

 

Nachgehend

OLG Bamberg (Beschluss vom 28.04.2020; Aktenzeichen 3 U 416/19)

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 12.11.2019 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 11.03.2020.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte nach Deliktsgrundsätzen auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Kauf eines Fahrzeugs mit einem Dieselmotor in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 13.05.2016 von der Firma A., ..., einen gebrauchten Pkw T., der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist, zu einem Kaufpreis von 27.100,- Euro. Das Fahrzeug war mit einer Software ausgerüstet, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierte. Im Rahmen einer angeordneten Rückrufaktion wurde bei dem Pkw ein Software-Update durchgeführt.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zum Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs habe keine Täuschung seitens der Beklagten vorgelegen. Der Kläger habe ferner einen Schaden nicht schlüssig dargelegt. Für einen Anspruch aus § 826 BGB fehle es an einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schadenszuführung. Ein Anspruch ergebe sich schließlich nicht aus § 823 II BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er trägt im Wesentlichen vor, die Beklagte habe getäuscht und ihm sei unbekannt gewesen, dass sein Fahrzeug von dem Abgasskandal betroffen gewesen sei. Es sei "davon auszugehen", dass er sich über die Gesetzeskonformität der Motorsteuerungssoftware sowie über die Schadstoffwerte geirrt habe (Berufungsbegründung S. 4).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich Anlagen Bezug genommen.

II. Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet mit der Folge, dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO bietet. Zu Recht und auch mit in jeder Hinsicht überzeugenden Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden. Zu den Berufungsangriffen sind lediglich die folgenden Anmerkungen veranlasst:

1. Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung liegen in der vorliegenden Fallkonstellation, in der der Kaufvertrag am 03.08.2016 und damit über ein Jahr nach Bekanntwerden des sog. "Dieselskandals" am 22.09.2015 geschlossen wurde, nicht vor.

a) Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses hatte die Beklagte - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - die Tatsache öffentlich bekannt gemacht, dass in von ihr hergestellten Fahrzeugen mit bestimmten Dieselmotoren eine Software eingebaut wurde, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierte. Dies geschah senatsbekannt nicht nur über die am 22.09.2015 veröffentlichte adhoc-Mitteilung, sondern auch im Rahmen einer Pressekonferenz durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten. Gerade dort räumte die Beklagte ein "Fehlverhalten" ein und bezeichnete die Verwendung der Software als "Manipulation". Hierbei wurde deutlich gemacht, dass die Software nicht nur in Fahrzeugen der Beklagten, sondern auch in Fahrzeugen des gesamten Konzerns Verwendung gefunden hatte. Senatsbekannt ist weiter, dass die Beklagte in nachfolgenden Pressemitteilungen vom 25.11.2015 und 16.12.2015 mitteilte, dass die Aufarbeitung und Lösung der Diesel-Thematik voranschreite bzw. dass sie dem KBA die konkreten technischen Maßnahmen für die betroffenen EA189-Motoren vorgestellt und dass das KBA nach intensiven Prüfungen alle Maßnahmen vollumfänglich bestätigt habe; zugleich wurde mitgeteilt, dass mit der vom Kraftfahrtbundesamt angeordneten Rückrufaktion begonnen werde (siehe hierzu OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 27.05.2019 - 7 U 335/18 Rn. 24). Im Übrigen hat es die Beklagte durch die Einrichtung einer Internetseite jedermann ermöglicht, sich darüber zu informieren, ob sein Fahrzeug mit der streitgegenständlichen Software ausgerüstet ist. Dies war gerade für Fahrzeuge, die...

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