Leitsatz (amtlich)
1.
Die Annahme einer Gefährdung des Untersuchungserfolges i.S.d. § 81 a II StPO erfordert u.a. eine auf den Einzelfall bezogene und in den Ermittlungsakten zu dokumentierende Prognoseentscheidung der mit der Sache befassten Ermittlungspersonen zur mutmaßlichen zeitlichen Verzögerung.
2.
In diese Prognoseentscheidung sind neben der wahrscheinlichen Dauer bis zum Eintreffen eines Arztes auf der Dienststelle bzw. bis zum Erreichen eines Krankenhauses und damit bis zur tatsächlichen Möglichkeit zur Entnahme der Blutprobe beim Beschuldigten sowohl die eintretende zeitliche Verzögerung mit oder ohne Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung als auch die bisher festgestellten konkreten Tatumstände am Ort der Kontrolle sowie das Verhalten des Beschuldigten einzubeziehen.
3.
Eine unberechtigte Inanspruchnahme der Eilanordnungskompetenz des § 81 a II StPO führt nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Voraussetzungen von Gefahr in Verzug willkürlich angenommen, der Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen bzw. ignoriert wird oder wenn die den Richtervorbehalt begründende Rechtslage in gleichgewichtiger Weise gröblich verkannt bzw. fehlerhaft beurteilt wird.
Tatbestand
Das AG verurteilte den Angekl. am 04.11.2008 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und ordnete den Entzug der Fahrerlaubnis unter Bestimmung einer Sperrfrist für deren Wiedererteilung an. Der Angekl. fuhr am 02.08.2008 (Samstag) gegen 18.20 Uhr mit dem PKW VW auf der B.-Straße in K., obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Eine ihm am 02.08.2008 um 18.40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,21 Promille. Zur den Umständen der Blutentnahme hat das AG ausgeführt:
"Die Polizeibeamtin und Zeugin N. gab an, dass sie den Angekl. am 02.08.2008 gegen 18.20 Uhr als Fahrer des PKW VW im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten und dabei im Gespräch mit ihm Alkoholgeruch wahrgenommen habe. Der darauf vom Angekl. freiwillig durchgeführte Atemalkoholtest habe eine AAK von 0,61 mg/l ergeben. Daraufhin habe sie dem Angekl. erklärt, dass jetzt im Krankenhaus von einem Arzt eine Blutentnahme durchgeführt werde. Dies sei ggf. auch mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen. Der Angekl. habe sich kooperativ verhalten. Die ärztliche Blutentnahme sei um 18.40 Uhr im E.-Krankenhaus durchgeführt worden. Die Polizeibeamtin habe die Blutentnahme selbst angeordnet und von der Einholung einer richterlichen Entscheidung im Bereitschaftsdienst abgesehen, weil sie Gefahr in Verzug angenommen habe. Dies habe sie in Übereinstimmung mit der in der Dienststelle geltenden Praxis getan, da bekannt sei, dass sich Alkohol im Blut schnell abbaue und der für den Nachweis einer Straftat geltende Grenzwert sich bei Einholung einer richterlichen Entscheidung evtl. nicht mehr nachweisen lasse."
Die gegen seine Verurteilung gerichtete Sprungrevision des Angekl., mit der er die Verletzung formellen und materielln Rechts rügt, blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der gem. §§ 331, 335 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen (§§ 341 I, 344, 345 StPO) Sprungrevision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere ist die Auffassung der Tatrichterin, dass das zu Lasten des Angekl. verwertete Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung keinem Beweisverwertungsverbot unterliegt, rechtlich nicht zu beanstanden.
1.
Die vom Angekl. im Bezug auf die Verletzung des Richtervorbehalts nach § 81 a II StPO gerade noch den Anforderungen des § 344 II 2 StPO (vgl. OLG Hamm NJW 2009, 242/243; OLG Hamburg NJW 2008, 2597/2598) entsprechende und damit zulässige Verfahrensrüge erweist sich in der Sache als unbegründet. Das AG hat rechtsfehlerfrei die Ergebnisse der Blutalkoholuntersuchung auf Grund der am 02.08.2008 von der Polizeibeamtin angeordneten Blutentnahme zu Lasten des Angekl. verwertet.
a)
Das AG hat dabei zutreffend zunächst das Vorliegen einer Einwilligung des Angekl. in die Entnahme der Blutprobe verneint, so dass eine richterliche Anordnung gem. § 81 a StPO nicht bereits aus diesem Grund entbehrlich war. Da der mit der Blutentnahme verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ein für den Angekl. disponibles Recht betrifft, bedarf es gem. § 81 a I 2 StPO bei einer ausdrücklich und eindeutig vom Angekl. erklärten Einwilligung in die Blutentnahme keiner Anordnung der Maßnahme. Von einer solchen Einwilligung kann aber nur bei einer freiwilligen, ernstlichen und in Kenntnis der Sachlage und des Weigerungsrechts erteilten ausdrücklichen Zustimmung des Angekl. ausgegangen werden ( BGH VRS 29, 203; NJW 1964, 1177/1178; OLG Karlsruhe NStZ 2005, 399/400; LG Saarbrücken NStZ-RR 2009, 55; LR/Krause 26. Aufl. § 81 a Rn. 13 f.; KK/Senge StPO 6. Aufl. § 81 a Rn. 3 und Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 81 a Rn. 4 jeweils m.w.N.). Dies erfordert, dass der Angekl. - auch ohne geschäftsfähig sein zu müssen - n...